Fünf Euro mehr müssen reichen

ALG-II-Regelsätze werden ab Januar 2016 marginal erhöht

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.
Für die Berechnung der ALG-II-Sätze werden sieben Jahre alte Statistiken verwendet, obwohl gerade neue veröffentlicht wurden. Die kommen wohl 2017 zum Einsatz.

Fünf Euro mehr im Monat sollen reichen. So viel erhalten alleinstehende ALG-II-Bezieher ab Januar 2016 mehr an Leistungen für Nahrung, Kleidung, Energie und Co. Denn der Regelsatz steigt von 399 auf 404 Euro. Dies sieht ein Verordnungsentwurf des Bundessozialministeriums vor. Dabei ist die Berechnungsgrundlage bereits sieben Jahre alte. Sozialverbände und Opposition kritisieren die Berechnung der Regelsätze grundsätzlich als falsch. Sie würden den Bedürfnissen der Betroffenen nicht gerecht.

Manch einem ist das knappe Budget aber noch zu hoch. »Jede Hartz-IV-Erhöhung ist ein Anreiz zu Nichtarbeit in Deutschland. Wer nicht arbeitet, bekommt automatisch jährlich mehr. Wer arbeitet, nicht«, zitierte die »Bild«-Zeitung den Vorstand der Stiftung Marktwirtschaft, Michael Eilfort.

So stimmt diese Aussage allerdings nicht. Schließlich ist die Höhe der ALG-II-Regelsätze gesetzlich an die Lohnentwicklung und Inflation gekoppelt. Dabei geht die Verteuerung der sogenannten regelbedarfsrelevanten Güter und Dienstleistungen mit einem Anteil von 70 Prozent stärker in die Berechnung der neuen Regelsätze ein als die Entwicklung der Nettolöhne, die nur 30 Prozent ausmacht. Im Vergleich zu der relativ guten Entwicklung der Löhne ist die Erhöhung der Hartz-IV-Zahlungen um gerade einmal 1,25 Prozent daher auch eher mickrig.

Zumal die Berechnungsbasis der Sätze schon relativ alt ist. Als Grundlage der regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben dient nämlich die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamtes (Destatis) von 2008. Dabei wurde ermittelt, wie viel die privaten Haushalte damals im Schnitt für ihren Konsum ausgegeben haben.

Am Donnerstag hat Destatis nun die Ergebnisse einer neuen EVS mit Zahlen aus dem Jahr 2013 veröffentlicht. Besonders zu Buche schlagen beim Konsum demnach die Ausgaben fürs Wohnen und für Nahrungsmittel sowie Bekleidung. Hierfür geben die Bundesbürger im Schnitt 34,5 beziehungsweise 19 Prozent ihres Geldes aus. Und je weniger Geld die Haushalte zur Verfügung haben, desto größer ist der Anteil, den sie für diese Grundbedürfnisse einplanen müssen. So geben Arbeitslose fast ein Viertel ihres Einkommens für Essen, Trinken und Kleidung aus. Der Anteil der Wohnkosten beträgt rund 45 Prozent.

Für die kommende Erhöhung der ALG-II-Regelsätze werden die neuen Ergebnisse jedoch vorerst noch nicht verwendet: »Zur Umsetzung der Ergebnisse wird im kommenden Jahr ein Gesetzentwurf erstellt«, teilte das Bundessozialministerium gegenüber »nd« mit. Bevor ein solches Gesetzgebungsverfahren eingeleitet werden könne, seien zuerst Sonderauswertungen der EVS 2013 beim Statistischen Bundesamt in Auftrag zu geben, weil die Auswertung nicht über alle befragten Haushalte relevant sei, sondern nur der Konsum der einkommensschwachen Haushalte. »Die neu ermittelten Regelbedarfe könnten dann voraussichtlich zum 1. Januar 2017 in Kraft treten«, so das Ministerium.

Der Sozialverband Deutschland (SoVD) übte indes scharfe Kritik an der Anpassung. »Die angekündigte Erhöhung zeigt erneut, dass die Berechnungsmethode falsch ist. Denn sie bildet den Alltag der Betroffenen nicht lebensecht ab«, sagt SoVD-Präsident Adolf Bauer und forderte eine transparente und bedarfsgerechte Regelsatzfindung. »So hat es auch das Bundesverfassungsgericht der Bundesregierung in das Stammbuch geschrieben«. Auch von Seiten der Opposition hagelte es Kritik: »Je größer die Spaltung in Arm und Reich, desto geringer werden die Regelsätze für die Hartz-IV-Beziehenden«, sagte der sozialpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Wolfgang Strengmann-Kuhn. LINKE-Vorsitzende Katja Kipping nannte die bisherige Berechnung der Regelsätze auf Twitter eine Farce. Grundsätzlich sei Hartz IV durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung von 1050 Euro zu ersetzen, darunter drohe Armut.

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