nd-aktuell.de / 15.09.2015 / Politik / Seite 8

Online-Ringen um eine Tulpe

Israels Rechte will, dass eine Organisation den Menschenrechtspreis nicht gewinnt

Judith Poppe, Tel Aviv
B’Tselem, eine israelische Nichtregierungsorganisation, ist in den Niederlanden für die »Menschenrechts-Tulpe 2015« nominiert worden. Rechte und Siedler in Israel machen dagegen mobil.

»Es ist ziemlich absurd«, erklärt Sarit Michaeli, Sprecherin der israelischen Nichtregierungsorganisation B’Tselem, und lacht auf: »Alle Nominierten sind beeindruckende AktivistInnen für Menschenrechte und verdienen diesen Preis. Das Problem ist nur, dass viele der Stimmen nicht abgegeben wurden, um diesen Leuten Wertschätzung entgegenzubringen, sondern aufgrund des Hasses unserer Arbeit gegenüber.«

Es geht um den jährlich vom niederländischen Außenministerium ausgeschriebenen und mit 100 000 Euro dotierten Tulpenpreis der Menschenrechte. Vor einigen Wochen ist B’Tselem, ein israelisches Informationszentrum für Menschenrechte in den besetzten Gebieten, nominiert worden. Online kann jeder, der möchte, eine Stimme für eine der 30 nominierten Menschenrechtsorganisationen und -Aktivisten abgeben.

Die Nominierung stößt aber nicht überall in Israel auf Begeisterung. B’Tselem, 1989 von Akademikern, Journalisten, Anwälten und einigen Abgeordneten der Knesset gegründet, hat sich zum Ziel gesetzt, Menschenrechtsverletzungen in den besetzten Gebieten zu dokumentieren und sichtbar zu machen - und steht deshalb im Kreuzfeuer der Rechten. Kurz nach der Nominierung wurde eine Facebook-Kampagne ins Leben gerufen, in der gegen B’Tselem mobilisiert wird, um die Organisation vom ersten Platz zu verdrängen.

Unter dem Slogan »die radikale Linke finanzieren? Auf keinen Fall« wird dazu aufgerufen, für andere 30 Nominierten des Tulpenpreises zu stimmen und damit B’Tselem möglichst weit nach unten zu treiben. Auf der dazugehörigen Abbildung kickt ein niederländischer Holzschuh das Logo der Menschenrechtsorganisation aus dem Bild. Lanciert wird die Kampagne nicht von Einzelpersonen, sondern von »Israel sheli« - »Mein Israel«, einer Organisation, die maßgeblich von der Siedlerbewegung und rechten Regierungsmitgliedern koordiniert wird.

Gegründet wurde »Israel sheli« 2010 unter anderem von Ayelet Shaked, der Justizministerin, und Naftali Bennet, dem Kultusminister, beide Jüdisches Heim. Sie gibt als Ziel aus, »den jüdischen Charakter von Israel zu stärken und jeden zu bekämpfen, der Israel zu einem Staat aller seiner Bürger machen will.« Ihr Betätigungsfeld sieht »Israel sheli« vor allem online: »Der einstige Marktplatz ist heute das Internet«, schreibt die nationalzionistische Organisation: »Wir sollten dieses Feld für unsere zionistischen Bemühungen nicht vernachlässigen.« Damit stellt sie gewissermaßen den neuen Medienarm der Siedlerbewegung dar und hat mit ihrer Facebook-Kampagne B‘Tselem auf den vierten Platz verdrängen können. Regelmäßig informieren Postings darüber, auf welchem Platz B’Tselem liegt und für wen zu stimmen sei.

Michaeli von B’Tselem betont, dass sie zwar um Stimmen werben, aber sie stünden in keinem Wettkampf mit den anderen Nominierten. »Wenn es etwas Gutes an der Kampagne von «Israel sheli» gibt, dann dass wir den Medienwirbel nutzen können, um auch international auf die Situation in der Westbank aufmerksam zu machen.« Bis Mittwoch kann noch für den Tulpenpreis der Menschenrechte abgestimmt werden. Jede Stimme werde dafür sorgen, dass eine der Menschenrechtsorganisationen 100 000 Euro bekomme - und dies unabhängig davon, wer die Stimme abgibt, heißt es auf der Website der Organisation.