Schnelle Verfahren sind nicht alles

Asylentscheidungen sollen verkürzt werden, nach ihrer Qualität muss auch gefragt werden

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.
Der neue Chef der Bundesagentur für Migration und Flüchtlinge gab am Montag seine Ziele bekannt: Er wolle die Abläufe bei Asylverfahren straffen, »einen möglichst schnellen Durchlauf erreichen«.

Frank-Jürgen Weise ist für den Bundesinnenminister geradezu ein Geschenk. Der neue Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge übernimmt neben seinem bisherigen Job als Chef der Bundesagentur für Arbeit nun auch die Neuorganisation der Verwaltung der Asylverfahren in Deutschland. Dabei verzichtet er auf zusätzliche Entlohnung. Eine noble Geste, denn dass Weise die kommende Arbeit unterschätzen würde, kann man daraus nicht ableiten. Zielstrebig zeigte er sich am Montag. »Ist unsere IT-Technik richtig aufgestellt und sind unsere Arbeitsprozesse gut organisiert?«

Die Mängel des IT-Systems sind Mitarbeitern schon lange ein Dorn im Auge. Das technische Verfahren hat großen Einfluss auf das Tempo der Entscheidung über Bleiben oder Nichtbleiben in Deutschland. Aber auch auf ihr Ergebnis. So wurde den Entscheidern in den Außenstellen des Bundesamtes 2009 ein zusätzliches Hindernis in den Weg gelegt, als alle Daten auf die Bundesstelle für Informationstechnik verlagert wurden. Damit ist nun zwar die Vernetzung verschiedener Bundesbehörden technisch möglich, etwa auch der Zugriff des Bundeskriminalamtes auf Daten der Asylagentur. Doch haben sich damit die Prozesse nicht beschleunigt. Im Gegenteil. Mitarbeiter klagen über innerbehördliche Wartezeiten und umständliche Verfahrenswege.

Deutschland braucht offenbar besonders lange für Asylverfahren. So ist in einem Gutachten des Mediendienstes Integration vom Juli dieses Jahres von knapp 240 000 unerledigten Anträgen die Rede. In Deutschland gebe es so viele offene Verfahren wie in allen anderen EU-Ländern zusammen, errechnete der Politikwissenschaftler Dietrich Thränhardt. Das führe dazu, dass Asylbewerber in Ungewissheit ausharren müssen - »manche bis zu 14 Monate«. Und das, obwohl die durchschnittliche Bearbeitungsdauer pro Antrag bereits von sieben Monaten im Jahr 2014 auf nunmehr fünf Monate reduziert wurde. Im Koalitionsvertrag von 2013 waren drei Monate angepeilt worden - bisher ein Wunsch fern jeder Realität. Das interne IT-System zur Bearbeitung der Asylanträge sollte inzwischen schon mehrfach modernisiert werden, die jüngste Verschiebung deutet jetzt auf das Jahresende 2015. Dann, so hoffen die Mitarbeiter, sollen die dauernden Systemabstürze endlich der Vergangenheit angehören.

Dass auch Asylbewerber unter langen Wartezeiten und Ungewissheit leiden, ist eine Tatsache. Und auch an mangelnder Qualität hat die technische Ausrichtung ihren Anteil - teilweise politisch durchaus gewollt. Zum Beispiel nehmen Textbausteine den Entscheidern nach der Anhörung der Asylbewerber einen Teil der weiteren Formulierungsarbeit ab. Das ist problematisch, weil das Gesetz dem Flüchtling eine individuelle Würdigung der Umstände seiner Flucht zusichert. Antragsteller aus einem sicheren Herkunftsland wie Mazedonien etwa werden so mittels Software über einen Kamm geschoren, die Möglichkeit einer Einzelfallentscheidung zumindest erschwert. Doch auch in solchen Ländern kann es politische Verfolgung geben.

Am 1. August erst endete die bis dahin geltende Gesetzesvorschrift, dass jeder positive Asylbescheid nach drei Jahren einer Überprüfung unterzogen wird. Dies abzuschaffen, spart nun wohl aber möglicherweise kaum Zeit. Insider berichteten, dass die vorgeschriebenen Prüfungen wegen Personalmangels ohnehin nur in geringem Umfang stattgefunden hätten.

Ein anderer Fall sind die Dublin-Verfahren. Jeder fünfte Erstantrag 2014 hätte in einem anderen Land gestellt werden müssen. 35 000 Überstellungsanträge wurden deshalb von der Asylbehörde gestellt, doch nur in 14 Prozent der Fälle kam es zur Überstellung. Aus Behördensicht ein Problem, für die Asylbewerber in diesem Fall wohl nicht.

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