Aufmerksam auf Holperwegen

Kampagne für mehr Sicherheit auf Berliner Straßen vom Verkehrsclub Deutschland gestartet

  • Stephan Fischer
  • Lesedauer: 3 Min.
Fußgänger, Radfahrer, Autofahrer - für ihre Aufmerksamkeit im Straßenverkehr wirbt der VCD. Die ist auch bitter nötig.

Die Kreuzung der Frankfurter Allee mit der Proskauer Straße in Friedrichshain ist eine dieser, an der Radfahrer besser nicht schlafen sollten - und deren bauliche Situation Verkehrsexperten um den Schlaf bringen kann. Auf engem Raum drängeln sich Autos, Radfahrer und Fußgänger, die Abbiegesituationen sind unübersichtlich. Und am Dienstagmorgen buhlen auch noch Aktivisten vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) um Aufmerksamkeit: Links und rechts des stadteinwärts führenden Radwegs halten sie Schilder hoch, mit denen sie Rad- und Autofahrer an ebenjene Grundtugend neben der Rücksichtnahme im Straßenverkehr erinnern wollen: »Super! Wer aufeinander achtet, fährt sicherer!«

Die Schilder sind der Auftakt einer Kampagne des VCD, die an die geltenden Verkehrsregeln erinnern will. Seit September verteilt der Verband Postkarten in Berlin, die mit Grafiken und den dazugehörigen Paragrafen der Straßenverkehrsordnung (StVO) über die Verkehrsregeln informieren. Für Eva Renziehausen vom VCD Nordost ist das bitter nötig: Viele Verkehrsteilnehmer - egal, ob mit dem Auto, dem Rad oder zu Fuß unterwegs - wüssten gar nicht oder nur ungenau über sie Bescheid. Oder setzten sich bewusst darüber hinweg. Gerade das führe aber zu einer steigenden Zahl von Unfällen mit schweren Folgen. » 2014 sind die Unfallzahlen wieder gestiegen. Es gab auch wieder mehr Radunfälle«, sagt Renziehausen. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Verkehrstoten in Berlin zum ersten Mal seit Jahren wieder an. Unter den 52 Verunglückten waren zwölf Radfahrerinnen und -fahrer.

Florian ist mit seinem Stadtrad unterwegs Richtung Alexanderplatz, hat direkt neben einer Aktivisten angehalten, um nach den Schildern zu fragen. Er begrüßt die Aktion und kann dem Radfahren in Berlin fast nur Gutes abgewinnen. »Wenn man sich an die Regeln und die Ampeln hält, funktioniert es auch«, betont der Endzwanziger. Beim Blick auf den Radweg fällt ihm dann aber doch auf: »Eigentlich braucht man in Berlin ein Mountaibike, die Wege sind sehr oft holprig. Jedenfalls sind sie bei weitem nicht so gut wie in Freiburg«, ergänzt er noch, bevor er sich wieder aufs Rad schwingt. Freiburg oder Kopenhagen - mit diesen Vorbildern will sich Berlin in Sachen Radverkehr eigentlich messen. Mehr Berliner und Touristen sollen aufs Rad steigen, eine Radverkehrsstrategie gibt es seit mehreren Jahren. Immer mehr Menschen steigen auch aufs Rad. Nur von der Strategie ist auf den Straßen nicht viel zu sehen: Weder werden eigene Wege und Streifen auf den Fahrbahnen großflächig ausgebaut, noch werden bestehende Wege saniert. Und Kontrollen an zugeparkten Radstreifen finden kaum statt. »Die Umsetzung der Radverkehrsstrategie des Senats ist total mangelhaft«, konstatiert Renziehausen. Das fange damit an, dass es nicht genug Personal gebe, das Planungen umsetzen könne. Konkret fehle es neben neuen Fahrwegen und -spuren auch an besseren Umleitungen an den vielen Baustellen.

Dass vollmundige Strategien in Berlin so nicht zum ersten Mal unter anderem an der bis zum Rande der Funktionsfähigkeit gesparten Berliner Verwaltung scheitern - für Renziehausen und den VCD geht es mit der Kampagne in erster Linie darum, mit den mangelhaften Zuständen in der Stadt klarzukommen. »Der Straßenraum ist nun einmal sehr klein, gerade deshalb ist es wichtig, dass Autofahrer und Radfahrer aufmerksam sind und sich gegenseitig den Raum lassen.«

Das ginge nur mit gegenseitiger Rücksichtnahme und Regelkenntnis: So ist die allgemeine Benutzungspflicht von Radwegen aufgehoben - seit 1997. Das hindert jedoch manche Autofahrer bis heute nicht, auf der Straße gegenüber Radfahrern zu hupen oder drängeln. Auf der anderen Seite wüssten die meisten Radfahrer, dass es aus gutem Grund verboten ist, auf der falschen Radwegseite zu fahren - nur scheint das oder auch eine rote Ampel für manche Radler nicht immer zu gelten. So werden schwierige Verkehrsbedingungen in einer wachsenden Stadt noch gefährlicher. Dabei reicht fast eine einzige Grundregel aus: Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme. »Das sollte eigentlich selbstverständlich sein«, sagt Renzihausen. Aber eben auch nötig.

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