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Historischer Sender tauchte wieder auf

Anlage von »Radio Freies Wendland« im Museum

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.

Einen halben Tag lang übertrug »Radio Freies Wendland« am 4. Juni 1980 die Räumung des Anti-Atom-Hüttendorfes im Gorlebener Wald durch Tausende Polizisten. Erst als die Beamten mit schwerem Gerät nach zahlreichen Holzhäusern am Abend auch den großen Turm des Protestcamps niederrissen, verstummte das Radio.

Die auf vier Kassetten gespeicherte Sendung blieb erhalten - als einzigartiges Ton-Dokument der Widerstandsbewegung. Das technische Equipment aber galt als zerstört und verschollen. Jetzt ist der tatsächlich stark beschädigte Sender wieder aufgetaucht: Im Deutschen Technikmuseum Berlin wird er im Rahmen der neuen Dauerausstellung »Das Netz. Menschen, Kabel, Datenströme« präsentiert. Im Ausstellungsbereich »Verbotene Kommunikation« ist er das einzige Exponat aus Deutschland.

Birgit Huneke ist Leiterin des »Gorleben-Archivs« in Lüchow, das Presseartikel, Flugblätter, Plakate, Videos und anderes Material über die jahrzehntelangen Kämpfe gegen die Atomanlagen im Wendland sammelt und auswertet. Die Aktivistin erzählt, dass der Hamburger Fotograf Günter Zint den Sender nach der Räumung in einer der von der Polizei zerstörten Hütten fand und zunächst mit nach Hause nahm.

Zint, der die Anti-AKW-Bewegung seit ihren Anfängen in Brokdorf mit der Kamera begleitet, sei dann am 7. April des vergangenen Jahres als Gast zum 90. Geburtstag von Marianne Fritzen erschienen, erzählt Huneke. Die langjährige Vorsitzende der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg gilt als Symbolfigur und »Mutter« des wendländischen Widerstandes. Als Geschenk hatte der Journalist den Sender von »Radio Freies Wendland« dabei. Fritzen, die auch Begründerin des »Gorleben-Archivs« ist und dessen aktuellem Vorstand als Schriftsführerin angehört, überführte das Metallteil in den Fundus des Archivs.

Als die Gorlebener von der geplanten Ausstellung in Berlin erfuhren, boten sie dem Museum den Sender als Exponat an. Zur Eröffnung der Schau am 9. September reiste auch eine Delegation aus dem Wendland in die Hauptstadt. »Wir freuen uns, dass der gerettete Sender von der Bohrstelle 1004 nun einen würdigen Platz gefunden hat«, sagt Birgit Huneke. »Und dass die Protestbewegung um die Atomanlagen in Gorleben in dieser großen Ausstellung vertreten ist.«

Das Tiefbohrloch 1004 im Wald zwischen Gorleben und Gartow war am 3. Mai 1980 von Atomkraftgegnern besetzt worden. Innerhalb weniger Tage entstand dort die »Republik Freies Wendland« mit Hunderten Hütten, einem großen Freundschaftshaus, Stallungen für Kleinvieh, einer Batterie Latrinen und eigener Passstelle samt Schlagbaum. »Radio Freies Wendland« ging erstmals am 18. Mai auf Sendung und berichtete dann regelmäßig über das Leben und die Diskussionen im Anti-Atom-Dorf.

Mit einer neuen Sendeanlage meldeten sich die Radio-Macher und Macherinnen auch in der Folgezeit immer wieder. Wenn Castor-Transporte ins Gorlebener Zwischenlager rollen und auch bei anderen Demonstrationen geht stets auch »Radio Freies Wendland« auf Sendung.

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