An serbisch-kroatischer Grenze stauen sich Waren und Wut

Zagreb provoziert wegen Flüchtlingen einen Handelskrieg mit Belgrad / Premier Milanovic fürchtet Wahlniederlage

  • Thomas Roser, Belgrad
  • Lesedauer: 3 Min.
Premier Milanovic hat Kroatien einen Handelskrieg mit Serbien beschert. Auf Konfrontationskurs zum früheren Kriegsgegner geht er bewusst: Er hat Angst vor einer Abwahl.

An der blockierten Grenze der einstigen Kriegsgegner stauen sich seit Tagen Wagen, Waren - und Wut. Doch trotz des eskalierenden Handelskriegs mit Serbien scheint Kroatiens streitbarer Regierungschef Zoran Milanovic von keinerlei Selbstzweifeln geplagt. Als «lächerlich» bezeichnet der 48-jährige Sozialdemokrat die serbischen Gegenmaßnahmen eines Importverbots kroatischer Waren als Reaktion auf die von seiner Regierung zu Wochenbeginn verfügte Blockade des Frachtverkehrs: «Kroatien ist Mitglied der EU. Und alles, was Serbien unternimmt, richtet sich gegen die EU.»

Seit Ungarn Mitte September seine Grenze zu Serbien für Flüchtlinge abgeriegelt hat, liegen auch an der kroatisch-serbischen Grenze die Nerven blank. 50 000 Flüchtlinge sind bisher von Serbien über die grüne Grenze nach Kroatien gelangt - über 40 000 von ihnen hat Zagreb schon über seine noch nicht gänzlich abgezäunte Grenze zu Ungarn geschleust.

Serbien müsse die Hälfte der von Mazedonien einreisenden Flüchtlinge an die ungarische Grenze karren und nicht alle in Richtung von Kroatiens Grenzen lenken, so die Forderung von Milanovic. Solange dies nicht geschehe, bleibe die Grenze für den Frachtverkehr gesperrt: «Kroatien ist bereit, die Hälfte der Leute aufzunehmen. Aber nicht alle - wir sind auch keine Idioten.»

An Selbstbewusstsein hat es dem Juristen nie gemangelt. Doch obwohl der Chef von Kroatiens seit knapp vier Jahren amtierender Mitte-Links-Koalition seine ersten Arbeitserfahrungen in den 90er Jahren im diplomatischen Dienst sammelte, scheint sich der von Kritikern als überheblich und beratungsresistent beschriebene Premier in der Flüchtlingskrise gezielt allen diplomatischen Fingerspitzengefühls zu entledigen.

In Kroatien herrsche Ordnung, bei den Nachbarn «Chaos», poltert Milanovic: «Serbien funktioniert nicht wie ein echter Staat.» Ein Adler jage keine Mücke« - »wir sind der Adler«. Mit Ungarn und Kroatiens Opposition forme Serbien eine gegen Zagreb gerichtete »Achse« der heiligen »Dreifaltigkeit«: »Nationalisten sind überall gleich.«

Mit Empörung reagiert Serbiens Öffentlichkeit nicht nur auf die Grenzblockade, sondern auch den Zagreber Straßenjargon. Um solche Dinge habe man früher »Krieg geführt«, ärgert sich Serbiens Außenminister Ivica Dacic. Noch härter geht Serbiens Presse mit Kroatiens Vormann ins Gericht. »Ein Verrückter führt Kroatien in den Krieg!«, titelt das Boulevardblatt »Alo!«. Der »Blic« wiederum vermutet Kalkül: »Die kroatische Taktik im Wahlkampf: Belgrad und Serbien bespucken.«

Tatsächlich scheint es die Angst vor der Abwahl bei den bevorstehenden Parlamentswahlen zu sein, die Dauerwahlkämpfer Milanovic nicht nur gegenüber der Konkurrenz der konservativen HDZ, sondern auch gegenüber den Nachbarn Serbien und Ungarn betont markige Töne anschlagen lässt. Doch stößt der forcierte Konfrontationskurs zu Serbien nicht nur bei der heimischen Wirtschaft, sondern auch bei der Presse auf Kritik. Die Grenzblockade treffe nicht nur Serbien, sondern auch Kroatien, gibt die Zagreber Zeitung »Jutarnji List« zu bedenken.

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