Et hätt noch emmer joot jejange

Wie Kölns sanierungsbedürftiges Opern- und Schauspielhaus zum Millionengrab wurde

  • Siegfried Schmidtke, Köln
  • Lesedauer: 4 Min.
Berlin und Hamburg machen bundesweit Schlagzeilen mit BER und Philharmonie. Doch längst hat auch Köln mit seinem Opern- und Schauspielhaus einen Skandalbau, der nicht fertig, aber immer teurer wird.

Die Hamburger Elbphilharmonie und der Berliner Flughafen BER schockieren die Öffentlichkeit seit Jahren mit immer weiter steigenden Baukosten, immer neuen Pannen und immer wieder hinausgeschobenen Eröffnungsterminen. Doch längst gehört auch Köln (Nordrhein-Westfalen) mit seinem Opern- und Schauspielhaus auf die Liste der Großstädte mit öffentlichen Skandalbauten. Es handelt sich um einen denkmalgeschützten Gebäudekomplex, der 1957 fertig gestellt worden war und der komplett saniert werden soll.

Die Chronologie des Millionen-Skandals beginnt im Februar 2006 mit dem Beschluss des Rates der Stadt Köln zur Sanierung des Operngebäudes. Das direkt angrenzende Schauspielhaus soll ganz abgerissen und neu aufgebaut werden. Nach zweieinhalb Jahren der Planung werden Baukosten in Höhe von 230 Millionen Euro genannt. Zehn Monate später aber liegen die Planer schon bei rund 360 Millionen.

Nun tritt das Stadtparlament auf die Kostenbremse und beschließt im Dezember 2009: Die Gesamtkosten sollen 295 Millionen Euro nicht überschreiten. Doch inzwischen regt sich Protest gegen die Pläne, Ende 2011 hat ein Bürgerbegehren mit 30 000 Unterschriften Erfolg. Das Schauspielhaus soll nun nicht mehr komplett abgerissen und neu gebaut, sondern wie das Opernhaus »nur« erneuert werden. Auch die damalige Schauspielintendantin Karin Beier hatte den Protest unterschrieben. Der neue Nur-noch-Sanierungsplan weist nun Gesamtkosten von 253 Millionen Euro aus.

Im Sommer 2012 beginnen die Bauarbeiten. Seitdem müssen beide Bühnen auf Ersatzorte ausweichen. Das Schauspiel findet eine Bleibe in einem ehemaligen Fabrikgelände im Stadtteil Mülheim. Die Oper mietet bis Juni 2015 den »Musical Dome«, ein riesiges Zeltgebäude, verkehrsgünstig am Hauptbahnhof gelegen.

Die Baukosten, heißt es im Oktober 2014, steigen auf rund 275 Millionen Euro. Gut ein Jahr vor der geplanten Wiedereröffnung am 7. November 2015 treten zudem Bauverzögerungen auf. Aber die Verantwortlichen der Großbaustelle setzen blauäugig auf Artikel 3 des »Kölschen Grundgesetzes«, der da lautet: Et hätt noch emmer joot jejange (Es ist bisher noch immer gut gegangen). Im Fall der Opernbaustelle kann man dies durchaus so auslegen: Wir wissen es, dass es Murks ist, aber es wird schon gut gehen.

An das Gute glaubend veröffentlichen die Bühnen im Juni dieses Jahres dann das Programm für die neue »Spielzeit 2015.16«. Die Oper will am 7. November mit »Benvenuto Cellini« feierlich im sanierten Gebäude starten. Auf einer Pressekonferenz am 22. Juli platzt dann aber die kulturpolitische Bombe: Stadtverwaltung und Bühnenintendanz teilen mit, dass die angekündigte Wiedereröffnung der Oper nicht stattfinden könne. Probleme am Bau werden als Grund der Verzögerung genannt. Auch Vorwürfe der mangelhaften Projekt- und Kostensteuerung seitens der städtischen Gebäudewirtschaft werden laut.

Negativ fällt vor allem die niederländische Firma »Imtech« auf, die für die Gebäudetechnik zuständig ist. Imtech ist bundesweit aktiv - auch am Berliner Flughafen.

Die Wiedereröffnung des Opernhauses ist geplatzt - dann muss das Programm eben an einem anderen Ort gespielt werden. Aber wo? Im Sommer 2015 beginnt eine hektische Debatte um das Interim der Bühnen. Das Schauspielhaus kann die Hallen in Köln-Mülheim weiter nutzen und startet am 31. Oktober. Für die Oper aber bleibt die Frage: »Wohin?«

Kurzfristig stehen zwei Gebäude zur Verfügung: Das sogenannte Staatenhaus, innenstadtnah in Köln-Deutz gelegen, sowie die MMC-Studios in Köln-Ossendorf. Der einjährige Interimsbetrieb würde im Staatenhaus 18,7 Millionen Euro kosten, in den MMC-Studios 17,8 Millionen.

Ein handfester Streit ums Opern-Interim entbrennt. Opernintendantin Birgit Meyer: »Im Staatenhaus kann ich dem Kölner Publikum einen attraktiven und qualitätsvollen Spielplan anbieten. Darüber hinaus ist das Staatenhaus sowohl für das Publikum als auch für die Mitarbeiter gut erreichbar.« Frankfurts Opernchef Bernd Loebe, Vorsitzender der Deutschen Opernkonferenz, nennt das Staatenhaus »alternativlos«. Auch die Kölner SPD inklusive Oberbürgermeister (OB) Jürgen Roters und die Linksfraktion tendieren zum Staatenhaus.

CDU und FDP sowie die (parteilose) OB-Kandidatin Henriette Reker dagegen bevorzugen die Filmstudios im Gewerbegebiet Ossendorf. Und knüppelhart drohen die Betreiber der MMC-Studios der Stadt sogar mit rechtlichen Schritten, wenn ihre (scheinbar) bessere Offerte nicht berücksichtigt werde.

In der Ratssitzung am 10. September bringt Gisela Stahlhofen, kulturpolitische Sprecherin der LINKEN, dann ein bislang in der öffentlichen Diskussion unerwähntes (oder verschwiegenes?) politisches Argument gegen die MMC-Filmstudios: Sie verweist auf die Tatsache, dass der Oppenheim-Esch-Fonds der Eigentümer der MMC-Studios ist.

Dieser Fonds, in den Familien wie Oetker, Deichmann, Schickedanz (Quelle) und auch die Kölner Verlegerfamilien Neven-Dumont/Schütte investieren, hatte laut Linksfraktion in den vergangenen Jahren mehrere krumme Geschäfte mit der Stadt Köln getätigt. Die Stadt wurde dabei regelrecht »über den Tisch gezogen«.

Vor der entscheidenden Hauptausschuss-Sitzung am 16. September appelliert Jörg Detjen, Fraktionssprecher der Kölner Linkspartei, an SPD und Grüne, »an der gemeinsam im Rat formulierten Position mit der LINKEN festzuhalten: Keine neuen, - auch keine indirekten - Geschäfte mit Oppenheim-Esch-Fonds.«

Der Appell findet Gehör. Der Hauptausschuss des Rates der Stadt Köln bestimmt das Staatenhaus zum Opern-Interim. Doch wie lange diese Zwischenlösung gebraucht wird, das ist weiter offen.

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