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»Nein, bestimmt nicht«: Merkel wird grundsätzlich

LINKE und Grüne stützen die Kanzlerin / Regierungschefin verteidigt ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik: kein Aufnahmestopp, Hilfe für Flüchtlinge »meine verdammte Pflicht«

  • Lesedauer: 6 Min.

Update 14.30 Uhr: LINKE und Grüne stützen die Kanzlerin
Grüne und LINKEN haben Kanzlerin Merkel vor Angriffen aus den Reihen von Union und SPD wegen ihrer Flüchtlingspoltik in Schutz genommen. »Ihr 'Wir schaffen das!' ist eine Abfuhr an die Schwarzmaler und Kritiker in den eigenen Reihen«, sagte Grünen-Chefin Simone Peter in der »Welt« zu Merkels Interview. »Doch so richtig dieses Signal ist, so sehr fehlt ein Masterplan für die Aufnahme und Integration der Flüchtlinge.«

Die LINKE-Innenexpertin Ulla Jelpke forderte Merkel auf, ihren Appell zur Zuversicht »mit konkreten Inhalten« zu füllen. Ihre Kritik richtete Jelpke weniger gegen Merkel als gegen CSU-Chef Horst Seehofer, dem sie eine Abschreckungspolitik gegen Flüchtlinge vorwarf.

Update 14 Uhr: Gabriel unterstützt Merkels Flüchtlingspolitik
SPD-Chef Sigmar Gabriel unterstützt den Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Flüchtlingspolitik. »Ich glaube, dass die Linie der Kanzlerin, den Menschen nichts vormachen zu dürfen, richtig ist«, sagte der Vizekanzler am Donnerstag in Wolfsburg am Rande eines Treffens mit dem VW-Weltkonzernbetriebsrat. »Wir haben in Europa keine Zugbrücke, die wir hochziehen können«, sagte Gabriel. »Die Menschen kommen auch nicht, weil Frau Merkel ein paar Selfies veröffentlicht hat. Sie kommen, weil die Lage in Syrien immer dramatischer wird, weil die Weltgemeinschaft nicht geholfen hat.« Solange in Syrien Bomben fielen, werde es Kriegsflüchtlinge geben. Es sei eine »große Sauerei«, dass der UN-Sicherheitsrat nichts unternehme. »Wir müssen zeigen, dass die Weltgemeinschaft das Leben von Menschen schützen will und nicht nur versucht, dass einzelne Staaten ihre eigenen Interessen durchsetzen auf dem Rücken der Flüchtlinge.«

Update 12.20 Uhr: Albig und Bouffier unterstützen Merkel
Nach ihren jüngsten Äußerungen zur Flüchtlingspolitik hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Rückendeckung aus SPD und CDU bekommen. »Die Kanzlerin hat einen Plan und der ist auch gut«, sagte Schleswig-Holsteins sozialdemokratischer Ministerpräsident Torsten Albig am Donnerstag am Rande der Ministerpräsidentenkonferenz in Bremen. »Alles, was sie gestern gesagt hat, ist richtig und kann nur unterstützt werden. Wir schaffen das auch (in Schleswig-Holstein).«

Auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) gab Merkel Rückendeckung. »Eins ist doch klar, dass wir das schaffen. Eins ist auch klar, ich würde unsere Möglichkeiten so beschreiben: Wir sind unendlich hilfswillig, aber unsere Möglichkeiten sich begrenzt.« Dazwischen müsse eine vernünftige Lösung gefunden werden. Dies sei eine historische Herausforderung. Es sei nicht richtig, permanent in Alarmismus zu verfallen, betonte Bouffier. »Wir können und wollen in Deutschland keinen Zaun bauen.«

»Nein, bestimmt nicht«: Merkel wird grundsätzlich

Berlin. Angela Merkel muss zurzeit viel Kritik einstecken - vor allem aus den eigenen Reihen. Am Mittwochabend hat die Kanzlerin klargemacht, dass sie sich der Anti-Asyl-Rhetorik und der Forderung nach Aufnahmestopp neu ankommender Flüchtlinge nicht beugen will. »Es gibt den Aufnahmestopp nicht«, sagte Merkel in der ARD. Es liege nicht in der Macht der Bundesregierung, wie viele Menschen kommen.

Die CDU-Chefin betonte zwar, dass sie keine Politik der offenen Grenzen verfolge - das hatten ihr Parteifreunde vorgeworfen. Gleichzeitig verwies die Kanzlerin aber auf die humanitäre Verpflichtung bei der Aufnahme Schutzsuchender. »Ich möchte mich nicht beteiligen an einem Wettbewerb 'Wer ist am unfreundlichsten zu den Flüchtlingen?' und dann werden sie schon nicht kommen«, sagte sie. Erneut wiederholte Merkel den Satz »Wir schaffen das«. Die Herausforderung angesichts des Flüchtlingsandrangs sei die vielleicht schwierigste seit der Wiedervereinigung.

Vehement widersprach sie dem Eindruck, Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) entmachtet zu haben, indem die Flüchtlingspolitik nach einem Kabinettsbeschluss von Mittwoch nun stärker im Kanzleramt gebündelt werden soll. Auf die Frage, ob sie ihren Minister entlassen werde, sagte Merkel: »Natürlich nicht. Ich brauche ihn - dringender denn je.«

Merkel lobte, dass in vielen Orten Menschen bis an die Belastungsgrenze arbeiteten, um dafür zu sorgen, die Flüchtlinge unterzubringen. Ihr Auftritt bei »Anne Will« war geprägt von einer zurückhaltenden, wenn auch deutlichen Haltung, die Hilfe für Asylsuchende als protestantische Pflicht ansieht. Merkel sprach von den »Nächsten« und von »meiner verdammten Pflicht«. Ausdrücklich wies die Regierungschefin die immer lauter aus Union und SPD zu hörende Behauptung zurück, die Bundesrepublik habe eine angebliche »Grenze der Aufnahmefähigkeit« erreicht: »Nein, bestimmt nicht«, sagte Merkel dazu.

Derweil versucht sich die SPD, mit Kritik am Management der Bundeskanzlerin in der Flüchtlingsfrage zu profilieren. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi warf der CDU-Chefin vor, keine ausreichende Antwort auf die Herausforderungen zu haben. »Angela Merkel steht nicht dafür, dass sie ausgereifte Gesellschaftskonzepte auf den Tisch legt, sondern dafür, kurzfristig zu agieren und auf Sicht zu fahren«, sagte Fahimi der Deutschen Presse-Agentur.

Mit Blick auf die CSU-Position und die Willkommensgeste der Kanzlerin meinte die SPD-Politikerin, die Union erzeuge gerade »eine politische Bipolarität, wie sie extremer kaum sein könnte«. Die Union sei zerrissen. Aus Sicht der SPD müsse der Zustrom an Migranten zumindest in der Geschwindigkeit reduziert werden. »Aber das heißt doch noch lange nicht, dass wir über absolute Grenzen bei der Aufnahme von Flüchtlingen reden.«

SPD-Vize Ralf Stegner betonte, Deutschland könne über mehrere Jahre sehr hohe Flüchtlingszahlen verkraften. »Das geht aber nicht ganz ohne Atempause und nicht ausschließlich nur in Deutschland, Österreich und Schweden«, sagte der Kieler Fraktionschef der dpa. »Wir allein können das nicht leisten; wir brauchen die Hilfe unserer europäischen Nachbarn.« Benötigt werde ein europäisches Verteilsystem mit Mindeststandards.

Aufgabe der SPD ist es nach Ansicht Fahimis, das Notwendige in der Krise zu beschreiben und einzufordern. »Und das haben wir getan. Im Maßnahmenpaket der Regierung sind doch überwiegend sozialdemokratische Forderungen enthalten.« Die SPD habe lange dafür arbeiten müssen, »dass die Union sich in diese Richtung bewegt«.

Die Stimmung im Land werde kippen, wenn die Kommunen den Alltag nicht mehr stemmen könnten. »Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Wohnverhältnisse vor Ort schwieriger werden, dass das Schwimmbad oder die Turnhalle für Flüchtlinge genutzt werden, die Schulen aber nicht saniert werden können oder zu wenig Lehrer für unsere Kinder da sind, weil die Kommunen das Geld für die Unterbringung oder Integrationskurse brauchen«, warnte Fahimi.

An diesem Sonntag trifft sich die SPD zu einem Perspektivkongress in Mainz, wo über die langfristige Ausrichtung der SPD-Politik über die Wahl 2017 hinaus beraten werden soll. Nun wird das Treffen vom Flüchtlingsthema überlagert. Agenturen/nd

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