Kirchen kontra Kommunen

In Thüringen soll die Justiz klären, wer die Sanierung von Gotteshäusern bezahlen soll

  • Lesedauer: 3 Min.
Kirchen zu erhalten, kostet viel Geld. Doch wer zahlt dafür - die öffentliche Hand oder auch die Gemeinden? Das soll nun höchstrichterlich entschieden werden.

Erfurt. Kommunen und Kirchen in Thüringen wollen Klarheit darüber, ob Gemeinden bei der Sanierung von Gotteshäusern zur Kasse gebeten werden dürfen. Dazu laufen aktuell Klagen der katholischen und evangelischen Kirche. »Wir rechnen mit einem Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar in den nächsten Tagen«, erklärte die Kirchenrätin der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland (EKM), Sabine Schulze. Bei der mündlichen Verhandlung vor einigen Tagen habe der Richter ein Scheitern der Klage zu erkennen gegeben. Die Kirchen wollen sich davon aber nicht abschrecken lassen.

Die Entscheidung zu der Klage der katholischen Kirche vor dem Verwaltungsgericht Meiningen steht ebenfalls noch aus. »Sie ist noch nicht terminiert«, erklärte der Leiter des Katholischen Büros in Erfurt, Winfried Weinrich. Er rechnet damit, dass sich Urteile der Verwaltungsrichter von Meiningen und Weimar ähneln werden - »ohne der Entscheidung vorweg greifen zu können«, ergänzte Weinrich.

Hintergrund seiner Annahme ist eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig aus dem Jahr 2008, das die historische Regelung der sogenannten Kirchbaulasten für nichtig erklärt hatte. Das heißt: Die Richter haben die Kommunen nicht als Rechtsnachfolger der DDR gesehen. Deshalb müssten sie nicht für früher getroffene Verpflichtungen zahlen. Weinrich sprach von einer Regelungslücke im Einigungsvertrag. Diese solle nun geschlossen werden.

Dazu haben sich die beiden Kirchen zusammengeschlossen. »Um klagen zu können, brauchten wir geeignete Fälle und einen aktuellen Anspruch«, berichtete Schulze. Die Klagen richten sich auf katholischer Seite gegen die Gemeinde Geisa im Wartburgkreis, auf evangelischer Seite gegen Hochheim (Kreis Gotha). Der Bürgermeister des Ortes, Rolf Janson (Freie Wählergemeinschaft), sagte: »Uns geht es um Klarheit, auch für andere Gemeinden.« Deshalb habe der Ort der Klage zugestimmt, »nicht weil wir mit der Kirche in Streit liegen«.

Hochheim stehe finanziell gut da und könne sich deshalb eine Unterstützung der Kirche bei Sanierungsarbeiten leisten, unterstrich Janson. Andere Kommunen hätten diesen Spielraum nicht. »Deshalb brauchen wir eine klare Regelung in dieser Sache.«

Immerhin bewegen sich die Baulastansprüche bei der EKM eigenen Angaben zufolge bei 150 Millionen Euro. Rund 400 Gemeinden seien betroffen. Der Gemeinde- und Städtebund Thüringen sieht mit Blick auf das Urteil der Leipziger Richter aber keine Kostenlawine auf die Kommune zurollen.

Die Entscheidung habe sich lediglich auf die Kommunen bezogen. »Bund und Länder wurden nicht einbezogen«, hob Weinrich hervor. Die EKM hat deshalb angekündigt, im Oktober eine Klage gegen den Freistaat Thüringen und den Bund einreichen zu wollen. Der EKM-Finanzdezernent Stefan Große erinnerte an eine Übereinkunft in Hessen zum Umgang mit Kirchbaulasten. Das Land habe eine größere Summe gezahlt, damit auch künftige Ansprüche abgegolten seien.

Thüringens Finanzministerin Heike Taubert (SPD) fordert ihrerseits eine Revision des Einigungsvertrags, weil das Land etwa für Sonder- und Zusatzrenten aus DDR-Zeiten zahlen muss. Der Freistaat sei nicht Rechtsnachfolger der DDR, stellte Taubert klar. Die EKM strebt derweil eine Klärung der Frage der Kirchbaulasten vor dem Bundesverfassungsgericht an. »Eine Entscheidung wird es aber erst in einigen Jahren geben«, ist sich Schulze sicher.

Die Ansprüche sind laut EKM oft eine Folge der Trennung von politischer und kirchlicher Gemeinde im 19. Jahrhundert. Dabei war das Vermögen - in vielen Fällen Ländereien - aufgeteilt worden. Oft seien dann Kirchengemeinden nicht mehr finanziell in der Lage gewesen, in den Erhalt der Gotteshäuser zu investieren. In solchen Fällen sprangen dann die politischen Gemeinden ein. dpa/nd

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