Untermieter Mohammad Alkhaboor

Die Dombrowskis traten ein Arbeitszimmer ihres Hauses in Neuenhagen an einen Syrer ab

  • Jeanette Bederke
  • Lesedauer: 3 Min.
Wer in Märkisch-Oderland Flüchtlinge privat beherbergen will, bekommt nur wenig Unterstützung von den Behörden. Die dezentrale Unterbringung ist erklärtes Ziel. Die Realität sieht aber oft anders aus.

»Wir erwarten immer von Flüchtlingen, dass sie sich integrieren«, sagt Anja Dombrowski. »Wie aber sollen sie es tun, wenn wir ihnen die Türen nicht aufmachen?« Die 38-jährige und ihre Mitstreiter vom Willkommenskreis Hoppegarten (Märkisch-Oderland) haben genau das gemacht. Sie öffneten ihre Türen. Etwa 50 Flüchtlinge leben seit Ende August privat bei Familien im Speckgürtel von Berlin. Was so einfach klingt, sei in Wahrheit ein bürokratischer Hürdenlauf, beschreibt die zweifache Mutter.

Angefangen hatte der Willkommenskreis »Get2gether Hoppegarten« im Frühjahr 2015 mit Spendensammlungen, Deutschunterricht und der Begleitung von Flüchtlingen zu Ärzten und Behörden. 200 Asylbewerber lebten damals zeitweilig in einem Hotel, darunter viele Familien mit Kindern. »Doch dann erfuhren wir plötzlich eine Woche vor der Schließung dieser Unterkunft, dass der Landkreis den Umzug aller unserer Flüchtlinge in ein Heim nach Neuhardenberg plant«, erzählt Dombrowski.

Das ging den Flüchtlingen und dem Willkommenskreis gegen den Strich. »Die überwiegend syrischen Familien hatten begonnen, sich hier bei uns zu integrieren. Die Kinder hatten sich in Kita oder Schule eingelebt und sollten unserer Meinung nach da nicht wieder herausgerissen werden.« Dombrowski fragte Bekannte, wer Flüchtlinge bei sich zu Hause aufnehmen könnte. Mit Unterstützung der Gemeindeverwaltung organisierten sie leerstehende kommunale Wohnungen für zwei tschetschenische Großfamilien.

Familie Dombrowski selbst hat seit sechs Wochen einen syrischen Untermieter, der jetzt im Arbeitszimmer des Hausherren wohnt. »Ich sitze mit meinen Unterlagen jetzt am Küchentisch, aber egal«, meint Sascha Dombrowski schmunzelnd.

Für Mohammad Alkhaboor sind die Dombrowskis zur zweiten Familie geworden. Seine eigenen Eltern und Geschwister hat der 31-Jährige in der Heimat zurücklassen müssen. »Unser Erspartes reichte nur für einen aus der Familie«, erklärt er. Dass er nun so eine herzliche Hilfsbereitschaft erfährt, hätte er von den Deutschen nicht erwartet, bekennt der Syrer. Er muss miterleben, wie schwer die Behörden es den privaten Flüchtlingsbetreuern von »Get2gether« und ihren Schützlingen machen.

»Eigentlich haben wir noch viel mehr Freiwillige, die Flüchtlinge bei sich aufnehmen wollen, obwohl sie dafür keinerlei finanzielle Unterstützung erhalten«, sagt Anja Dombrowski. Doch das Engagement sei nach Auffassung der Kreisverwaltung illegal. Denn gemeldet seien die privat wohnenden Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften in Neuhardenberg und Seelow. »Bis heute wird ihnen ihre Post - wichtig ist ja vor allem die von der Ausländerbehörde - nicht an ihre tatsächliche Adresse zugestellt, obwohl wir das alles ordnungsgemäß gemeldet haben«, erzählt Anja Dombrowski. Und obwohl für alle Schützlinge Konten eingerichtet wurden, werde ihnen das monatliche Taschengeld nicht überwiesen. »Sie müssen sich die Schecks ebenso wie Behandlungsscheine für die ärztliche Versorgung persönlich in Seelow oder Neuhardenberg abholen, dort, wo sie gemeldet sind.«

Interveniert Anja Dombrowski per E-Mail dagegen, erhält sie keine Reaktion. Inzwischen hat sie erfahren, dass andere Willkommenskreise in Märkisch-Oderland ähnliche Probleme haben. In Barnim oder Oberhavel dagegen funktioniere die private Unterbringung von Flüchtlingen reibungslos.

»Ohne solch engagierte Menschen wie Frau Dombrowski stünde die Kreisverwaltung schlecht da«, sagt der Sozialbeigeordnete Lutz Amsel (LINKE). Der Landkreis stelle sich bei der privaten Unterbringung zugegebenermaßen »etwas an«. »Aber wir haben momentan für diese Einzelquartiere keine Zeit, weil wir Massen unterbringen müssen. Und da gilt nach wie vor: Keine Zelte.« dpa

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