Hut ab vor Schönberg!

Der Kabarettist und Musiker Bodo Wartke über die Überwindung der Angst durch Liebe - und durch die Musik

  • Lesedauer: 4 Min.

Herr Wartke, wie lautet Ihre Berufsbezeichnung?

Angefangen habe ich als Klavierkabarettist, aber im Laufe der Zeit bin ich immer vielseitiger geworden: Ich steppe und spiele Mundharmonika, Cajon oder Ukulele. Außerdem bin ich Schauspieler und Entertainer. Ich sage immer: Wer meine Kunst in eine Schublade stecken will, der braucht eine große Kommode.

Sind Sie studierter Musiker?

Ich bin erfolgreicher Studienabbrecher, da ich von meinen Auftritten nach kurzer Zeit leben konnte. Zum Beispiel gewann ich im Berliner Chamäleon-Varieté ein Casting und wurde daraufhin als Moderator für eine dreimonatige Show engagiert. Ich verdiente 50 Mark am Abend; davon konnte ich meine Hinterhof-Einzimmerwohnung mit Kohleofen bezahlen.

Was inspiriert Sie musikalisch?

Ich mag Rhythm&Blues und Boogie-Woogie, wobei mir da manchmal die Melodien fehlen, die im Kopf bleiben. Außerdem bin ich ein großer Freund von Schlichtheit. Ich liebe den Dreiklang, auch wenn Jazzer das langweilig finden. Mozart inspiriert mich, der benutzte auch viele Dreiklänge. Zu meinen Vorbildern gehören auch Georg Kreisler und Victor Borge; bei Heinz Erhardt mag ich die Reime und Wortspiele.

In einem Ihrer Programme heißt es: »Zwölftonmusik klingt immer scheiße«. Ist das Ihr Ernst?

Das sage ich natürlich nur als Bühnenfigur. Ich finde das Konzept der Zwölftonmusik total spannend. Hut ab vor Schönberg! Ich selbst stehe aber auf einprägsame Melodien, und da stößt die Zwölftonmusik an ihre Grenzen.

Ihr aktuelles Programm trägt den Titel »Was, wenn doch?«. Worum geht es?

Darum, dass die Dinge gut ausgehen, wenn wir das tun, was uns Spaß macht. Oft erlauben wir uns das nämlich nicht - weil es unvernünftig aussieht; oder weil wir Angst vor dem Scheitern haben. In dem Lied »Das falsche Pferd« male ich mir eine Welt aus, in der jeder das tut, was er gerne macht. Das will doch eigentlich jeder.

Allerdings eine Utopie.

Wieso? Ich bin ja selbst das beste Beispiel: Ich habe das Glück, dass ich mich Dingen widmen kann, die mir Freude machen. Ich will da eine andere Sichtweise schaffen. Es ist doch paradox: Wir leben in einem der reichsten und sichersten Länder der Welt, stecken aber voller Ängste.

Wie kann man die überwinden?

Indem wir aus Liebe handeln. Angst ist aber das Gegenteil von Liebe; oft verkleidet sie sich als Drang nach Sicherheit und nach Perfektion. Unsere kapitalistische Welt treibt uns dazu an, stets besser zu sein als die anderen.

Gesellschaftskritik kommt bei Ihnen aber eher nur am Rande vor?

Ich möchte durchaus auf Missstände aufmerksam machen. Aber nicht, indem ich mit dem Finger draufzeige, sondern ich komme durch die Hintertür. Das Lied »Die Amerikaner« zum Beispiel handelt auf den ersten Blick von der amerikanischen Außenpolitik. Aber am Ende merkt man, dass die Dinge, die ich da benenne, in Deutschland genauso passieren.

Wie schreiben Sie eigentlich Ihre Songs?

Meistens beginne ich mit dem Text, wobei es mir darum geht, die Klarheit der Aussage und die Schönheit der Sprache zu vereinen. Ich versuche, jedem Satz seine innewohnende Melodie abzulauschen. In dem Lied »Ja, Schatz« zum Beispiel geht es um einen Mann, der unter der Fuchtel seiner Ehefrau steht und immer wieder beschwichtigend sagt »Ja, Schatz«. Da steckt die Melodie schon drin: kleine Terz abwärts.

Üben Sie viel Klavier?

Ich übe mit größtem Vergnügen, aber ohne Perfektionsdruck. Ich spiele nur Sachen, bei denen ich Spaß habe. Da sind nicht großartige Interpretationen der Maßstab der Dinge. Es ist egal, ob ich Fehler mache.

Im Programm »Swingende Notwendigkeit« werden Sie vom Capital Dance Orchestra begleitet. Was ändert sich dadurch?

Dass ich nicht ans Klavier gebunden bin, öffnet Raum für Neues. Zwar kann ich Temposchwankungen und spontanen Einfällen nicht so flexibel nachgeben. Aber wenn 16 Musiker völlig synchron reagieren, ist das sehr beglückend.

Ist es schwierig, sich so viel Text und Musik zu merken?

Da ich mir alles selber ausgedacht habe, ist das nicht so schwer. Wenn ich auf der Bühne was vergesse, dann warte ich eben, bis es mir wieder einfällt, oder ich frage das Publikum. Ich kann Fehler auf der Bühne sehr genießen.

Verspüren Sie trotzdem Lampenfieber?

Schon, aber die Freude auf den Auftritt überwiegt. Am schlimmsten ergeht es mir bei Fernsehmitschnitten. Die mache ich ungern, weil da die Fehler - das eigentlich Witzige - immer geschnitten werden.

Haben Ost- und Westdeutsche einen unterschiedlichen Humor?

Mein internationales Liebeslied, das ich auf Zuruf in 88 Sprachen singen kann, kommt überall gut an (lacht) ... Das Publikum im Osten ist allerdings oft enthusiastischer als im Westen; bei »Ossis« herrscht von Anfang an tolle Stimmung. Klare Unterschiede stelle ich eher zum Schweizer Publikum fest. Sie verstehen zwar Hochdeutsch, sprechen es aber nicht.

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