Vor dem Aus

Gurlitt-Taskforce

  • Nada Weigelt
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine Rückgabe ohne Wenn und Aber« - dazu hat sich Deutschland verpflichtet, sobald sich Werke des Münchner Kunstsammlers Cornelius Gurlitt als NS-Raubkunst herausstellen. Seit mehr als eineinhalb Jahren versucht eine international besetzte Taskforce, die Geschichte des Kunstschatzes zu klären. Ende das Jahres läuft das Projekt aus.

»Wir sind auf einem guten Weg und arbeiten bis zum letzten Tag mit Hochdruck«, sagte Taskforce-Chefin Ingeborg Berggreen-Merkel der Deutschen Presse-Agentur. Das Gremium habe inzwischen die Herkunft von 510 Werken geklärt. Nur in vier Fällen aber hat man eindeutig nachweisen können, dass die Nationalsozialisten die Werke den jüdischen Eigentümern geraubt oder abgepresst haben. Der bayerische Grünen-Fraktionschef Sepp Dürr kritisierte das Gremium daraufhin als »reine Alibi-Veranstaltung«: »Größer könnte die Blamage nicht sein.«

Berggreen-Merkel macht eine andere Rechnung auf. Zu jedem der zweifelhaften Objekte werde bis Ende Oktober ein Basisforschungsbericht vorliegen. »Wir haben alles zusammengetragen, was wir in Archiven, Datenbanken, Katalogen und anderen Dokumenten weltweit gefunden haben«, sagt sie. »Nur: Wo wir nicht weiterkommen oder wo es keine historischen Quellen gibt, da gibt es auch kein Ergebnis.«

Zur Erinnerung: Der 2014 gestorbene Gurlitt hatte in seiner Münchner Wohnung jahrzehntelang mehr als 1250 teils hochkarätige Kunstwerke gehortet. Später wurden in seinem verwahrlosten Haus in Salzburg nochmals fast 250 Arbeiten gefunden, darunter Gemälde von Picasso, Renoir und Monet. Die Sammlung stammte von seinem Vater Hildebrand Gurlitt, der trotz seiner teils jüdischen Abstammung einer der wichtigsten Kunsthändler der Nazis war - und nebenher eine private Sammlung aufbaute.

Immer wieder stieß die Taskforce auf unerwartete Probleme. So fanden sich zu zahlreichen Werken bisher überhaupt keine Spuren. In anderen Fällen erhoben mehrere Menschen Anspruch auf ein und dasselbe Bild. Und wieder andere hatten keine genaueren Angaben zu dem Erbstück, das sie vermissen - viele Unterlagen gingen durch Flucht oder Deportation verloren. »Gerade bei konkurrierenden Ansprüchen muss unser Urteil hieb- und stichfest sein«, sagt Berggreen-Merkel. »Wenn wir hier einen Fehler machen würden, käme das einem neuen Entzug gleich.«

Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) hat angekündigt, ein Folgeprojekt beim neu gegründeten Deutschen Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg zu initiieren. Zudem will sie die unter Raubkunstverdacht stehenden Bilder Ende 2016 in der Bundeskunsthalle in Bonn ausstellen. Das weitere Schicksal der Sammlung hängt aber vor allem davon ab, wie der laufende Erbstreit ausgeht. Bekommt das Kunstmuseum Bern - wie von Gurlitt verfügt - das heikle Erbe? Oder setzt sich Gurlitts Cousine Uta Werner mit ihrem Anspruch für die Familie durch?

Das Oberlandesgericht München lässt derzeit in einem psychiatrischen Gutachten Gurlitts Testierfähigkeit klären. Gut möglich, dass ein Urteil erst nächstes Jahr fällt. Beide Seiten haben zugesagt, NS-Raubkunst an die Erben der Opfer zurückzuerstatten. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Forschung weitergeht. dpa/nd

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