nd-aktuell.de / 05.11.2015 / Politik / Seite 5

»Echte Demokratie ist gegenwärtig nicht zu erwarten«

Über die Situation der muslimischen Minderheit der Rohingya in Myanmar

Mandy Fox
Die muslimische Minderheit der Rohingya zählt etwa eine Million Einwohner. Sie werden als Nichtstaatsbürger behandelt - angeblich erfüllen sie die staatsbürgerschaftlichen Anforderungen nicht.

»Diese Wahlen werden nicht frei und fair ablaufen, und die ausländischen Wahlbeobachter können auch nicht jeden Winkel in Myanmar erreichen«, sagt U Kyaw Min, ehemaliger politischer Gefangener und Vorsitzender der Partei für Demokratie und Menschenrechte (DHRP). Auch vor den jetzigen Parlamentswahlen am Sonntag scheint sich die Regierung ihre Kontrahenten aussuchen zu wollen. Die burmesische Wahlkommission hat 17 der 18 aufgestellten Kandidaten von U Kyaw Mins Partei abgelehnt. Angeblich erfüllen sie die staatsbürgerschaftlichen Anforderungen nicht.

Damit ist klar, dass die DHRP nicht an den Wahlen teilnehmen kann. Für U Kyaw Min, der bereits zu den Wahlen 1990 kandidierte, ist das nur ein weiteres Indiz dafür, dass die Regierung Myanmars Muslime aus der Politik heraushalten will. Das gilt besonders für die etwa eine Million zählende ethnische Minderheit der Rohingya, zu denen U Kyaw Min sowie seine Parteikollegen gehören. Die Regierung Myanmars erkennt die Rohingya nicht als eine der 135 ethnischen Gruppen des Vielvölkerstaates an, in dem 90 Prozent der Menschen Buddhisten sind. Sie bezeichnet die Rohingya stattdessen als illegale Immigranten aus Bangladesh. Das Staatsbürgerschaftsgesetz von 1982 macht die Rohingya so ganz offiziell zu Staatenlosen in ihrem eigenem Land.

Die DHRP von U Kyaw Min hat ihren Sitz in einer Wohnung in Yangon (Rangun). Die frühere Hauptstadt mit fünf Millionen Einwohnern ist die größte Stadt in Myanmar und das wichtigste Geschäfts- und Handelszentrum. Die DHRP setzt sich besonders für die Rechte der Rohingya ein. Und das ist nicht ganz einfach, denn die Rohingya leben im isolierten Westen Myanmars im Rakhine-Staat, einem der sieben Unionsstaaten des Landes. Seit dort 2012 Konflikte zwischen Buddhisten und Muslimen in Gewalt umgeschlagen sind, gibt es immer wieder Reisewarnungen für diese Region. Militär und Polizei wurden eingesetzt, um Muslime zu vertreiben. Seither fristen über 100 000 Menschen, die meisten von ihnen Rohingya, ihr Dasein in Camps. Insgesamt leben rund drei Millionen Menschen im Rakhine-Staat. Zwei Drittel von ihnen sind buddhistische Rakhine und andere ethnische Gruppen, ein Drittel dagegen Muslime, von denen sich die Mehrheit wiederum als Rohingya bezeichnet.

»Auch wenn wir auf Wahlkampf-Tour hätten gehen können, wäre es schwierig geworden, denn die Rohingya dürfen nicht wählen. Ohne deren Stimmen aber hätten wir sowieso nichts gewinnen können«, sagt U Kyaw Min.

Für die vertriebenen Rohingya, die seit drei Jahren als Binnenflüchtlinge in den Camps ausharren, sind die Wahlen ohnehin zweitrangig: Sie leben dort ohne medizinische Versorgung, ohne Arbeit, ohne Schulbildung für ihre Kinder und sind abhängig von Reisrationen internationaler Nichtregierungsorganisationen. »Es gibt keine Zukunft für uns. Wir leben hier im Camp wie Tiere, schlafen auf schlammigem Boden. Das einzige, was wir wollen, ist, an unsere alten Wohnorte zurückzukehren«, sagt der 25-jährige Hobiramn. Sein Bekannter Kyaw Kyaw fügt hinzu: »Präsident Thein Sein würde ich nicht wählen, dann würde unsere Situation noch schlechter werden.«

Kurz nach dem Ausbruch des Konfliktes 2012 hatte ebenjener Präsident für Schlagzeilen gesorgt, als er öffentlich verkündete, alle Rohingya in Drittländer verschicken zu wollen. Eine ernsthafte Absicht, die Probleme im Rakhine-Staat lösen zu wollen, lässt sich bei seiner Regierung nicht erkennen. Mit dem Ausschluss der DHRP von den Wahlen 2015 haben die Rohingya ohnehin ihre einzige Fürsprecherin auf der politischen Bühne Myanmars verloren. U Kyaw Min bilanziert: »Echte Demokratie ist gegenwärtig in Myanmar nicht zu erwarten. Es wird auch keine internationale Gemeinschaft kommen, um die Rohingya zu retten. Wir müssen uns selbst helfen.«