nd-aktuell.de / 12.11.2015 / Politik

Griechenland: Generalstreik gegen Gläubiger-Auflagen

Behörden, Bahnen, Medien, Fähren, Schulen, Ärzte: SYRIZA-Chef Tsipras erlebt erste großen Ausstand der Gewerkschaften gegen seine Regierung

Update 8.40 Uhr: Türkische Kampfjets verletzten griechischen Luftraum
Laut dem griechischen Verteidigungsministerium haben am Mittwoch acht türkische Kampfflugzeuge den Luftraum des Landes über der Ägäis verletzt. Wie es aus der Regierung hieß, habe man insgesamt 19 Überflüge der Grenzlinie registriert, zwei der türkischen Flugzeuge seien bewaffnet gewesen. Die griechische Luftwaffe stieg ebenfalls auf. Luftraumverletzungen durch türkische Jets werden sehr oft registriert. Im Sommer ereigneten sich ähnliche Zwischenfall zum teil binnen weniger Tage. Laut der Athener Zeitung »Kathimerini« hieß es im Verteidigungsministerium, die türkische Seite habe ihre Provokationen verstärkt, seit die inneren Konflikte in der Türkei zunehmen. Der Grenzverlauf in der Ägäis ist zwischen beiden Ländern seit langem umstritten, auch gibt es Meinungsverschiedenheiten über Hoheitsgebiete, in denen vermutete Ölvorkommen eine Rolle spielen.

Griechenland: Generalstreik gegen Gläubiger-Auflagen

Berlin. Die griechischen Gewerkschaften machen am Donnerstag mit einem Generalstreik gegen die umstrittenen Gläubiger-Auflagen und die Politik der SYRIZA-Regierung mobil, die diese umsetzt. Es ist der erste umfassende Ausstand während der Amtszeit des linken Ministerpräsidenten Alexis Tsipras. Anlass sind die Kürzungsauflagen der Gläubiger, die die SYRIZA-geführte Regierung im Gegenzug für ein drittes Kreditprogramm umsetzen muss.

Gestreikt werden soll in Behörden und Schulen sowie bei Bahnen und Fähren. Auch Ärzte und Apotheker wollen die Arbeit niederlegen und nur Notfälle behandeln. Die griechischen Journalisten wollen ebenfalls streiken. Museen und archäologische Stätten sollen geschlossen bleiben. Weitere Beeinträchtigungen werden vor allem im Flugverkehr erwartet, auch alle Fährverbindungen zu den griechischen Inseln sollen eingestellt werden.

In den Gesprächen mit den Gläubigern über den Stand der Umsetzung dieser Auflagen wird offenbar erneut großer Druck auf die SYRIZA-geführte Regierung gemacht. Wie es aus Kreisen der Linkspartei hieß, versuchten die Gläubiger-Institutionen erneut die griechische Regierung »zu erpressen«. Die notwendige Rekapitalisierung der Banken und die Auszahlung ausstehende Tranchen des Milliarden-Kredites würden erst freigegeben, wenn in Athen bestimmte Gesetze im Eiltempo eingeführt würden. Dabei gehe es unter anderem um die Mehrwertsteuer auf Bildungsgebühren, den Schutz von Erstwohnungen gegen Zwangsräumung bei ausstehenden Krediten.

Die Umsetzung von Maßnahmen war zur Voraussetzung für die Auszahlung von Krediten gemacht worden. Allerdings sollte SYRIZA einen Spielraum haben, zum Beispiel Mindereinnahmen an einer Stelle, die aus sozialer Rücksichtnahme entstehen, durch andere Einnahmen zu kompensieren. Dies wird derzeit verhandelt – doch die Gläubiger, heißt es bei SYRIZA, setzten auf noch beschleunigtere Gesetzgebung. Dabei würden demokratische Standards in Griechenland verletzt.

Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras hatte sich am Dienstag noch zufrieden über die Ergebnisse des Treffens der Eurogruppe am Vortag in Brüssel geäußert. Seine Regierung habe bei den Verhandlungen mit den Gläubigern seines Landes bewiesen, dass es »die sozial schwachen Bürger schützen« könne. Die Verhandlungen seien so geführt worden, dass ein Bruch mit den Geldgebern »nicht riskiert wurde«, zitierten Mitarbeiter des Regierungschefs Alexis Tsipras bei einer Sitzung des griechischen Ministerrats am Dienstag.

Am Vortag hatte die Eurogruppe aber erneut Druck auf Athen gemacht, die dortige Regierung müsse für die Auszahlung der ausstehenden Kredittranchen noch mehr der umstrittenen Maßnahmen umsetzen. Der aktuell wichtigste Streitpunkt zwischen den Gläubigern und der Regierung in Athen ist der Schutz ärmerer Bürger. SYRIZA besteht darauf, diese vor einer Beschlagnahmung ihrer Wohnung zu schützen, falls sie Kredite nicht bezahlen können. Eine Kompromisslösung stehe »unmittelbar bevor«, sagte ein Mitarbeiter des Finanzministeriums. Details nannte er aber nicht.

Athen erwartet zudem zehn Milliarden Euro für die Rekapitalisierung von griechischen Banken. Auch diese Gelder werden erst dann freigegeben, wenn Athen alle umstrittenen Auflagen erfüllt hat und die Eurogruppe dies bestätigt.

Athen hat sich derweil kurzfristig frisches Geld am Kapitalmarkt besorgt, um am Freitag auslaufende Staatsanleihen im Wert von 1,4 Milliarden Euro ablösen zu können. Wie die Schuldenagentur PDMA berichtete, konnten am Mittwoch knapp 1,138 Milliarden Euro für 13 Wochen in Form ebenfalls kurzlaufender Staatspapiere aufgenommen werden. In der Finanzpresse wird damit gerechnet, dass das restliche Geld an diesem Donnerstag in die Staatskasse fließt. Dann dürfte Athen wie üblich im Rahmen eines gesonderten Verfahrens zusätzliche Wertpapiere in Höhe von 262 Millionen Euro versteigern. Das Zinsniveau der Papiere lag am Mittwoch - wie bei einer vergleichbaren Auktion im Vormonat - bei 2,7 Prozent. Agenturen/nd