Harsche Kritik an Schäubles Lawinenvergleich

Justizminister Maas kritisiert Vergleich von Flüchtlingen mit Naturkatastrophe: nicht mit Worten Öl ins Feuer gießen

  • Lesedauer: 3 Min.
Lawinen machen Angst - und sie werden oft fahrlässig ausgelöst. Finanzminister Schäuble sieht Parallelen zur Flüchtlingskrise.

Berlin. Wolfgang Schäuble (CDU) hat für seinen Lawinenvergleich zu Flüchtlingen scharfe Kritik ausgelöst. »Menschen in Not sind keine Naturkatastrophe«, erklärte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) am Donnerstag bei »Spiegel Online«. »Niemand sollte Schwierigkeiten verschweigen oder schönreden, aber genauso sollte auch niemand mit seinen Worten Öl ins Feuer gießen.« Solidarität und christliche Nächstenliebe stärke man nicht mit diesem Vokabular, so Maas weiter. Unterstützung erhielt der Justizminister von Pro Asyl. »Mit solchen Äußerungen werden Schutzbedürftige zu einer Bedrohung hochstilisiert«, sagte der Geschäftsführer der Flüchtlingshilfsorganisation, Günter Burkhardt. »Das ist Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten.«

Der Bundesfinanzminister hatte Berichten zufolge den Lawinenvergleich auf einer Veranstaltung in Berlin gezogen. Er wisse jedoch nicht, ob diese Lawine bereits unten im Tal angekommen sei oder sich noch am oberen Ende des Hanges befinde, sagte er demnach. Mit seinen Worten setzt sich Schäuble einmal mehr von Kanzlerin Angela Merkel ab. Die CDU-Chefin ist immer noch um Ausgleich bemüht und bittet auch die eigenen, angesichts immer schlechter werdenden Umfrageergebnisse unruhig gewordenen Reihen um Geduld.

Vizekanzler Sigmar Gabriel hält den Lawinenvergleich ebenfalls für unpassend. »Ich kann mir das Bild nicht zu eigen machen. Ich würde einen solchen Vergleich nicht wählen«, so der SPD-Vorsitzende. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann fügte hinzu, dass solche Vergleiche nicht hilfreich seien. Die Union müsse schnell zur Sacharbeit zurückkehren: »Es ist jetzt mal genug.«

Auch von den Oppositionsbänken erntete Schäuble harsche Kritik. Der Parteichef der LINKEN, Bernd Riexinger, nannte die Äußerung »so falsch wie fatal«. »Um bei der Metaphorik zu bleiben wären die Millionen Flüchtenden der Bumerang für eine rücksichtslose Politik, die Kriege befeuert, Ressourcen vernichtet und Lebensgrundlagen zerstört«, sagte Riexinger.

Derweil wurde bekannt, dass Schwarz-Rot nicht genau weiß, wie viele Asylbewerber sich derzeit in den deutschen Erstaufnahmeeinrichtungen aufhalten. Dies räumte das Bundesinnenministerium in der Antwort auf eine Anfrage der Grünenabgeordneten Renate Künast ein. Der Bundesregierung liege »keine Gesamtübersicht über die Zahl der in Erstaufnahmeeinrichtungen untergebrachten Asylbewerber vor«, schrieb der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Ole Schröder (CDU).

Unterdessen hat Facebook in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 188 Beiträge in Deutschland gesperrt. Dabei handelte es sich um Hasskommentare und Leugnungen des Holocausts, wie das Unternehmen am Mittwoch (Ortszeit) in San Francisco mitteilte. In den sechs Monaten zuvor hatte das soziale Netzwerk nach eigenen Angaben 60 Einträge gesperrt.

Am Dienstag war bekanntgeworden, dass die Staatsanwaltschaft Hamburg Ermittlungen gegen den Nordeuropa-Chef von Facebook, Martin Ott, wegen des Verdachts auf Beihilfe zur Volksverhetzung eingeleitet hat. Ein Rechtsanwalt aus Würzburg hatte im Oktober Anzeige erstattet. Er habe Hasskommentare auf Facebook gemeldet, diese habe das Unternehmen aber nicht gelöscht. Agenturen/nd

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