Unter Wasser mit Schnellkochtopf

Otmar Richter betreibt Deutschlands einziges Tauchsportmuseum in Wendenschloß

  • Steffi Bey
  • Lesedauer: 4 Min.
Seit den 1950er Jahren tauchte der Schauspieler Otmar Richter - das meiste Zubehör für dieses Hobby wurde damals selbst gebaut. Im Museum sind mehr als 300 Exponate ausgestellt.

Die kleinen, meistens erst auf den zweiten Blick erkennbaren Dinge, faszinierten ihn schon immer. Otmar Richter lehnt sich bequem in den Sessel, kneift seine Augen ein wenig zusammen und lächelt: »So eine winzige Blüte, nur drei oder vier Millimeter groß, muss man erst einmal erkennen«, sagt er selbstbewusst. Klingt einleuchtend. Aber wenn der einstige DDR-Fernsehschauspieler noch ein bisschen ausholt und erzählt, dass es um kleine Entdeckungen unter Wasser geht, ist der Zuhörer doch überrascht.

Richter ist seit mehr als 60 Jahren leidenschaftlicher Taucher. 1956 kam er zum Tauchsportclub Adlershof und ist dort bis heute ehrenamtlich aktiv. »Das Eintauchen in die Seen war jedes Mal ein Höhepunkt für uns, doch bis es so weit war, haben wir mächtig geknobelt, gebaut und getestet«, sagt der 77-Jährige. Denn fast die gesamte Ausrüstung wurde damals selbst hergestellt. Einen kleinen Einblick in die kreativen Fähigkeiten der jungen Männer von einst gibt das Sporttauchermuseum in der Köpenicker Wendenschloßstraße.

Otmar Richter ist Initiator und Chef zugleich. Als er vor zehn Jahren erstmals einige selbstgebaute Unterwasserkameras in eine Vitrine stellte, konnte er nicht ahnen, was sich daraus entwickelte. »Viele Vereinsmitglieder fühlten sich animiert, ihre alten Utensilien, die oft in hintersten Kellerecken lagerten, hervorzuholen«, freut sich der engagierte Senior.

Mehr als 300 Einzelteile füllen inzwischen die Vitrinen im Sportclub an der Dahme: Masken, selbstgenähte Anzüge, Sauerstoffgeräte, Unterwasserkameras, Gehäuse und Kompressoren. Im Untergeschoss lagert noch mal fast genauso viel. Gezeigt werden kann das aber momentan nicht - weil dazu Platz und ebenso Geld zum Kauf neuer Vitrinen fehlen.

Doch die Besucher, die in das 2014 eröffnete Museum kommen, sind begeistert. Manchmal schauen sie schon etwas ungläubig, denn das ausgestellte Tauch-Equipment wirkt nicht wie handgemacht. Interessiert hören sie die Geschichten, die Otmar Richter anschaulich erzählt. Das erste, was er in den 1950er Jahren baute, war ein Gehäuse für seine Praktika. Später wurden Kameras auseinandergenommen und unterwassertauglich gemacht. »Alle Hebel zum Einstellen der Schärfe, für die Belichtungszeit und den Filmtransport mussten wir abdichten, aber dennoch von außen herankommen - das war schon eine besondere Herausforderung«, erinnert sich der Museumschef. Auch der Durchblick für das Objektiv sollte später den Wasserdruck aushalten und noch dazu gute optische Qualitäten sichern.

Gewerkelt wurde zu DDR-Zeiten oft im »Haus der Jungen Talente« in Mitte und bei den Sportlern daheim. Natürlich sei die Materialbeschaffung schwierig gewesen, aber irgendwie setzten die Hobbyhandwerker ihre Konstruktionen um. Vor allem Messing kam zum Einsatz. Zudem galten beispielsweise Schnellkochtöpfe »als gute Gehäuselieferanten«. »Aus Reifendruckprüfern schufen wir Tiefenmesser, Kompressoren zum Befüllen der Atemschutzflaschen entstanden unter anderem aus alten Panzer-, Motorrad- und Wartburgteilen«, berichtet Richter.

Zu seinen ersten gelungenen Motiven gehört ein Barsch, der ihm direkt vor die Linse schwamm. Wie die meisten Vereinsmitglieder entwickelte er die Filme selbst. »Es war ein tolles Gefühl, Verwandten und Freunden eigene Aufnahmen der Unterwasserwelt zu zeigen«, sagt er. Und das Schöne: Seine Frau ging oft mit ihm auf Tour. Mittlerweile mussten beide aber aus gesundheitlichen Gründen ihr langjähriges Hobby aufgeben.

Trotzdem steht bei ihm nach wie vor der Tauchsport an erster Stelle. Wenn er nicht gerade durchs Museum führt, Ausstellungsstücke beschriftet oder Kontakt zu Schulen im Bezirk Treptow-Köpenick knüpft, restauriert er alte handgearbeitete Teile. »Oft kommen Gäste, die das Museum besuchten, wieder und bringen ein Exponat vorbei«, sagt Richter.

Manchmal schaut er auch gemeinsam mit seiner Frau alte Filme. Denn sein Hobby brachte er ebenso in die Schauspielerei mit ein. Richter schrieb unter anderem das Drehbuch zum Film »Amor holt sich nasse Füße«, bei dem die Handlung größtenteils unter der Wasseroberfläche spielt.

Nach der Wende tauchte er zunächst in fernen Gewässern. Anfangs noch mit selbstgebauter Ausrüstung unterwegs, galt er dort als Exot. Das erste westliche Tauch-Utensil, was er sich kaufte, war ein Jacket: eine Art Weste, in der sich gleichzeitig eine Sauerstoff-Flasche befindet. Nach kurzem Tragen sei das Teil allerdings kaputt gegangen.

Stolz ist er auf die vor wenigen Wochen verliehene Auszeichnung »Sterne des Sports« vom Deutschen Olympischen Sportbund. Die bekam das Projekt für das museale Engagement zur Bewahrung der Tauchsport-Technik.

Sporttauchermuseum, Wendenschloßstraße 420, geöffnet ist donnerstags von 17 bis 20 Uhr. Führungen vereinbart Otmar Richter unter 0170 3409148.

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