Die Fanatiker müssen an Einfluss verlieren

Ein Gespräch mit Matthias Stein über die Reise von Fans aus Jena nach Israel und ins Westjordanland

  • Lesedauer: 3 Min.

Wie kommt man als Thüringer Fußballfan auf die Idee, nach Israel und ins Westjordanland zu reisen?

Die Jenaer Ultraszene positioniert sich stark gegen Rassismus und Antisemitismus, da konnte man von Interesse an einer durch das Fanprojekt organisierten Jugendbildungsreise durch Israel ausgehen. Bei einer Veranstaltung im Rahmen der Jenaer Städtepartnerschaft mit Beit Jala im Westjordanland kam einer unserer Reisegruppenteilnehmer ins Gespräch mit der Friedensaktivistin Faten Mukarker, einer Christin aus Beit Jala. So entstand die Idee, neben den Reisestationen Jerusalem, Totes Meer, Massada, Haifa und Tel Aviv auch das Autonomiegebiet zu besuchen.

Das klingt naheliegend.

Das war es sogar im doppelten Sinne des Wortes. Denn man fährt von Jerusalem mit dem Linienbus nur etwa 20 Minuten nach Beit Jala.

Sie haben die »Hope Secondary School« besucht. Das Wort Hoffnung ist eher ungewöhnlich als Teil eines Schulnamens ...

Der Name ist aber programmatisch. Es ist eine Schule für Waisen und Kinder aus schwierigen sozialen Bedingungen. Die Menschen vor Ort sind teilweise recht resigniert, dass die Welt sich kaum noch um ihr Schicksal zu scheren scheint. In der Schule ergab sich dann schnell ein spontanes Länderspiel Deutschland gegen Palästina. Der ein oder andere, der dort mit Flip-Flops kickte, wäre hier mit guter Ausrüstung wohl ein hoffnungsvolles Talent.

Wie kann man nun aus solch großer Entfernung helfen?

Indem man den friedlichen Menschen vor Ort dabei hilft, Kinder und Jugendliche mit sinnvollen Sportangeboten auf einen positiven Weg zu bringen und gewaltfreie Konfliktlösungsstrategien vermittelt. Das ist auch der Ansatz des Schulleiters Khader Saba. Es mag pathetisch klingen, aber Fußball kann in der Region wirklich Leben retten. Ungefähr während wir unser Spiel austrugen, wurde ein paar hundert Meter weiter ein 12-jähriger Junge erschossen.

Wie ist die Lage vor Ort?

Es ist so ein schönes Land, aber der Konflikt und die aktuelle Situation scheinen wie Blei darüber zu liegen. Das ist schon befremdlich, da stehst du in Hebron vor dem Zugang zur mitten im Herzen der Stadt geschaffenen Siedlung, und unterhältst dich mit Einheimischen, dass doch eigentlich alles ruhig sei, und bekommst zur Antwort: »Warte mal ab, in einer halben Stunde kommen die Kinder aus der Schule und werfen wieder Steine!« Ähnliche Szenen hast du dort scheinbar täglich an den Grenzbefestigungen oder vor Siedlungen, während andererseits Israel mit dem Siedlungsbau fortfährt. Aber auch über ihre eigene politische Führung herrscht Ernüchterung. Das alles treibt leider den radikalen Islamisten Sympathisanten zu.

Inwiefern?

Nun, die sagen den jungen Leuten: Klar ist eure irdische Existenz gerade recht trostlos, aber wenn ihr euch uns anschließt, werdet ihr in einer anderen Welt mehr als entschädigt. Euer Tod ist wertvoll - als Märtyrer.

Sie haben aber auch die andere Seite besucht. Wie waren Ihre Eindrücke aus Israel?

Auch da haben wir viele sehr sympathische Menschen getroffen, die sich wünschen, dass die Fanatiker auf beiden Seiten an Einfluss verlieren. Über die radikalen Siedler regen sich viele junge Israelis ja genauso auf wie mittlerweile auch viele Palästinenser über die Milizen der Hamas. Meine Hoffnung ist, dass es die junge Generation schafft, irgendwann den Konflikt friedlich beizulegen.

Engagieren Sie sich nun nach der Reise?

Wir haben unmittelbar nach unserer Rückkehr Freunde und Partner kontaktiert, um der Schule Bälle und Spielkleidung zur Verfügung zu stellen. Im Moment suchen wir einen jungen Mann, der sich vorstellen könnte, für ein paar Monate die Kinder zu trainieren - gegen freie Kost und Unterkunft. Interessenten können sich gern bei uns melden.

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