Die Widersprüche im Antiterrorkrieg

In der Generaldebatte des Bundestags warnen LINKE und Grüne davor, alte Fehler zu wiederholen

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ein stärkeres militärisches Engagement Deutschlands an der Seite Frankreichs angedeutet. Dieses soll sich gegen den IS richten.

In einem Punkt waren sich alle Hauptakteure der Bundestags-Generaldebatte zum Etat des Kanzleramts einig. Sie zeigten sich zu Beginn ihrer Rede betroffen von den Anschlägen, die Islamisten in Paris, Tunesien, Mali und anderen Orten auf der Welt begangen hatten. Die Frage nach der richtigen Reaktion auf den Terror beherrschte die rund vierstündige Debatte, die in der Regel von der Opposition für eine umfassende Kritik an der Regierungspolitik genutzt wird. »Terror bekämpft man nicht mit Krieg«, sagte Linksfraktionschef Dietmar Bartsch. Jeder tote Zivilist könne zur Folge haben, dass zehn weitere Menschen zu Attentätern werden. In Richtung der Großen Koalition fragte Bartsch: »Haben Sie aus Afghanistan nichts gelernt?« Dort ist die Bundeswehr noch mindestens bis 2017 Teil einer internationalen Koalition, die bislang vergeblich versucht, die Taliban zu besiegen.

Ein ähnliches Szenario könnte bald in Syrien drohen. Denn Frankreich hat bei Deutschland und seinen anderen europäischen Partnern militärischen Beistand im Krieg gegen die Terrororganisation »Islamischer Staat« angefordert. Anstatt dieser Anfrage nachzukommen, forderte Bartsch ein Waffenembargo gegen die Staaten, die den IS unterstützen. In diesem Zusammenhang nannte er Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate. Die Golfdiktaturen waren in den vergangenen Jahren unter anderem von Deutschland militärisch aufgerüstet worden. Zudem wies Bartsch darauf hin, dass der Ölschmuggel des IS, der vor allem über die Türkei gehe, gestoppt werden müsse. Damit würde man den Dschihadisten eine wichtige Einnahmequelle nehmen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte, dass Deutschland »solidarisch an der Seite Frankreichs im Kampf gegen den Terror« stehe. Sie nannte neben dem Einsatz in Afghanistan auch die stärkere Beteiligung der Bundeswehr in Mali und die Hilfe für die kurdischen Peschmerga in Nordirak. »Ein weiteres Engagement werden wird nicht von vornherein ausschließen«, sagte Merkel. Dass die CDU-Chefin den Wünschen des französischen Präsidenten François Hollande entgegenkommt, ist also wahrscheinlich. Am Mittwochabend hatte er die Kanzlerin zu einem Arbeitsessen in den Élysée-Palast in Paris eingeladen. »Die Weltgemeinschaft muss den IS bekämpfen«, sagte Merkel. Welche Rolle die Bundeswehr dabei spielen kann, wird sich zeigen. In der CDU war vor einigen Monaten über Einsätze von Tornados gegen den IS nachgedacht worden. Der Koalitionspartner SPD wird bei dem Thema offensichtlich nicht weiter bremsen. Der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, Thomas Oppermann, stellte klar, dass Deutschland nach der Anfrage von Hollande »einen Beitrag leisten« werde.

Unterstützung dürfte die Bundesregierung dabei von den Grünen erhalten. Bei einem UN-mandatierten Einsatz schließen sie nicht aus, einer Beteiligung der Bundeswehr zuzustimmen. Die Grünen sehen einen möglichen Einsatz deutscher Bodentruppen allerdings skeptisch. Bei seiner Rede im Plenum machte Fraktionschef Anton Hofreiter einige weitere kleine Einschränkungen. So dürften »die Fehler« im mittlerweile 14 Jahre andauernden Antiterrorkrieg in der islamischen Welt nicht wiederholt werden. Ein Beispiel hierfür seien die brutalen Folterungen durch US-Soldaten im irakischen Gefängnis Abu Ghraib gewesen. »Dies hat Terror produziert«, konstatierte Hofreiter. Stattdessen solle verstärkt auf Diplomatie gesetzt werden.

Hofreiter sah in den »Wiener Gesprächen« die Möglichkeit, eine politische Lösung für Syrien zu finden. An diesen Verhandlungen waren bisher unter anderem die UNO-Vetomächte USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien sowie Akteure in der Region wie Saudi-Arabien und die Türkei beteiligt. Neben dem Kampf gegen den IS sollte aus Sicht der Grünen ein weiteres Ziel verfolgt werden. Syriens Präsident Baschar al-Assad soll in dem Bürgerkriegsland keine Rolle mehr spielen. »Assad ist die Ursache. Er hat zudem am meisten Menschen ermordet«, meinte Hofreiter. Ohne Assad solle eine Regierung der nationalen Einheit gebildet werden. Dass dies aufgrund der Zerstrittenheit der syrischen Opposition ausgesprochen schwierig werden dürfte, erwähnte Hofreiter nicht.

Die Diskussion über den IS sowie die Kriege in Nordafrika, im Nahen und Mittleren Osten ist nicht von der europäischen Flüchtlingspolitik zu trennen. Aus diesen Regionen fliehen viele Menschen vor Gewalt und Unterdrückung. Die Bundesregierung streitet derzeit über Wege, wie sie den Zuzug von Flüchtlingen begrenzen kann. Die Rechte der Asylbewerber werden dabei etwa durch Leistungskürzungen massiv eingeschränkt. Angela Merkel will zudem eine Einigung über legale Kontingente innerhalb Europas erreichen. Im Unterschied zu einigen Kollegen in der Union wie CSU-Chef Horst Seehofer lehnt die Kanzlerin deutsche Obergrenzen für Asylbewerber ab. Über Details einer Kontingentlösung, die auch von der SPD favorisiert wird, müsste aber noch diskutiert werden. In einem Radiointerview sagte nun auch die Ko-Vorsitzende der Linksfraktion, Sahra Wagenknecht, dass Flüchtlinge gerechter in Europa verteilt werden sollten. »Wenn diese Kontingente damit verbunden sind, dass es legale Einreisewege geben soll, dann wäre das natürlich eine deutlich bessere Lösung als jetzt«, so Wagenknecht.

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