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GMRE=Scheiße

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 3 Min.

G-M-R-E. GMRE. Was könnte diese Buchstabenkombination nicht alles bedeuten? »Gib Mal Ruhe Endlich«? Ist es Sächsisch für »Kamera«? Alles deutet darauf hin, dass das Akronym für eine Organisation oder ein Unternehmen steht. Also ungefähr so etwas bedeutet wie beispielsweise »Geheimes Manifest der Rächer der Enterbten« oder »Glühende Maoisten Rottach-Egern«. Denn auf der Außenwand eines seit Monaten leer stehenden Ladengeschäfts in Neukölln, das bei mir um die Ecke liegt und in dem sich einst ein türkischer Supermarkt befand, hat bereits vor längerer Zeit jemand eine wasserresistente Botschaft hinterlassen, liebevoll geschrieben mit einem Graffiti-Stift, in fein gedrechselten Schönschriftbuchstaben: »Ganz Berlin hasst die GMRE!«

Nun stellt sich der Vorbeistreunende natürlich unweigerlich Fragen: Wer oder was ist die GMRE? Eine Terrorgruppe? Eine Berliner Brauerei, der es gelungen ist, noch scheußlicheres Bier zu produzieren als das bereits in Berlin hergestellte? Eine Unterabteilung der BVG? Oder steht da möglicherweise tatsächlich »Ganz Berlin hasst die Glühenden Maoisten Rottach-Egern«? Und was mag die Organisation Schreckliches verbrochen haben, um so verhasst zu sein? Ein Blick ins Internet verschafft Klarheit: Die GMRE, deren letzte zwei Großbuchstaben im Namen »Real Estate« bedeuten, ist ein Unternehmen, das in der Immobilienwirtschaft tätig ist und, um es mal juristisch unbedenklich zu formulieren, eigenwillige Praktiken pflegt. Ein repräsentativer Internetkommentar zu dieser Firma, der die beschriftete Hauswand gehört? Bitteschön: »Scheißverein! Lieber unter einer Brücke schlafen!« Auch das »Mieter-Magazin«, so lese ich, vertritt die Ansicht, dass der GMRE »ein Spitzenplatz in den Top Ten der unbeliebtesten Vermieter sicher wäre, wenn es eine solche gäbe«.

Wie dem auch sei. Lange grüßte mich morgens auf meinem Weg zur Bushaltestelle täglich freundlich und zuverlässig der mir im Laufe der Zeit regelrecht ans Herz gewachsene Schriftzug. »Gaaanz Berliiin hasst die GMRE! Gaaanz Berliiin hasst die G-R-M-E!« trällerte ich dann gedankenverloren und heiter vor mich hin.

Doch eines Tages war das Graffito - zack! - verschwunden. Man hatte es mit strahlendem Weiß übertüncht, so dass die betreffende Stelle der vergilbten Hauswand ein geradezu groteskes Aussehen verlieh.

Keine drei Tage brauchte der unbeugsame Künstler, um die Kampfansage entgegenzunehmen und sich über Nacht putzmunter zurückzumelden. »Ganz Berlin hasst die GMRE immer noch!« war jetzt auf der Wand zu lesen. Exakt an der Stelle, wo die Schergen der Immobilienwirtschaft zuvor mit blendendem Weiß die Stimme der Wahrheit für immer zu zensieren trachteten. Doch die Hausverwaltung wollte sich wohl nicht so rasch geschlagen geben und antwortete mit einem Quadratmeter Blendfarbe. Seit vorgestern hat es der Künstler offenbar satt, den halsstarrigen Trotzköpfen immer die gleiche Botschaft wieder und wieder zu verkünden. »GMRE = Scheiße« steht da nun. Mal sehen, wer nachgibt.

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