»Es gibt wohl gegenwärtig Dringenderes«

Berlins LSB-Präsident Klaus Böger sieht im Nein der Hamburger keine generelle deutsche Absage an Olympia

  • Lesedauer: 4 Min.

Hamburg sagt Nein zu Olympia. Was sagen Sie zu dem Abstimmungsresultat?

Es ist schade und ernüchternd, aber das muss man respektieren.

Dass sich der DOSB im innerdeutschen Wettstreit für Hamburg statt Berlin entschieden hat, lag auch daran, dass in Hamburg mehr Zustimmung herrschte. 68 Prozent in Hamburg, 56 Prozent in Berlin. Hat der DOSB aufs falsche Pferd gesetzt?

Na ja, das glaube ich eher nicht. Wahr ist, dass die Zustimmung in Hamburg größer war. In Berlin sind die Menschen eben gleich direkter und offener und sagen, was sie denken. Auch die Opposition hat sich gleich sehr deutlich gezeigt. Es ist müßig, darüber zu spekulieren, was gewesen wäre wenn. Fakt ist, es gibt wohl für die Bevölkerung gegenwärtig Dringenderes als Olympische Spiele.

War Hamburg schlicht zu teuer?

Hamburg hat eine sehr interessante Rechnung aufgemacht, ein Konzept der Stadtentwicklung mit angefügten Olympischen Spielen. Die Rechnung war sehr detailliert, aber enthielt eben auch einen nicht gedeckten Scheck von 6,2 Milliarden Euro durch den Bund. Ich glaube aber nicht, dass das der Hauptgrund für das Nein war, sondern eher Vorbehalte gegen internationale Sportorganisationen. Und das Wissen, dass das Land gegenwärtig viel damit zu tun hat, wie wir mit Flüchtlingen umgehen. Noch dazu gab es in Hamburg Misstrauen, ob nicht alles viel zu schnell geht: Gentrifizierung, Verdrängung, ein Projekt der Eliten. Man kann sich eben schlecht, wie Bertolt Brecht mal gesagt hat, »ein anderes Volk suchen«.

Bürgermeister Olaf Scholz war nicht begeistert von seinem Volk …

(Lacht) Das kann man auch verstehen. Es gibt natürlich immer einen Widerspruch: Bei den Demoskopen sagen drei Viertel der Deutschen ja zu Olympia. Nur in der jeweiligen Stadt, sei es in München oder Hamburg, sagt eine Mehrheit Nein, wenn es dann konkret wird. Damit muss auch diese rot-grüne Koalition klar kommen, es herrschte ja unter den politischen Parteien, bis auf DIE LINKE, Zustimmung. Damit wird man fertig werden. Hamburg geht nicht unter und der deutsche Sport auch nicht.

In Sachen Sommerspiele 2024 ging die Initiative vom DOSB aus: Berlin und Hamburg wurden gefragt, wie sie Olympia machen wollen. Wäre es klüger zu warten, dass die Initiative von einer Stadt ausgeht?

Basisbewegungen, wenn sie sich denn fokussieren, sind immer das Beste, weil das Demokratie ist. Formell ist es so: Ein nationaler Verband wie der DOSB bewirbt sich für die Spiele mit einer Stadt beim IOC. Real aber ist es so, dass das überhaupt nur funktioniert, wenn auch eine Bundesregierung von Anfang an sagt, wir stehen dahinter und wir haben auch ein klares Finanzierungskonzept. Sie können international nur auftreten, wenn Sie eben alle Gebietskörperschaften hinter sich haben. Die Bundesregierung hat sich aus Gründen, die man nachvollziehen kann, abwartend hinsichtlich der Finanzierung gezeigt. Man braucht aber für Olympia nicht nur eine tragende Stimmung, sondern auch eine allgemeine Zustimmung der entscheidenden Gremien.

Ist das Nein aus Hamburg nicht eine Absage an den Spitzensport?

Das glaube ich nicht: Dazu sind die Einschaltquoten bei Biathlon etc. viel zu gut. Spitzensport interessiert die Menschen. Fußball, aber auch andere Sportarten werden ja durchaus besucht von den Menschen. Der Sport wird auch weiterhin bedeutsam bleiben. Wir müssen uns fragen, worauf wir uns künftig im Spitzensport konzentrieren, wie bilden wir Trainerinnen und Trainer aus, wie klären wir die Dopingfrage, wie können wir die Athletinnen und Athleten besser beruflich fördern?

Frank Steffel, Präsident der Berliner Handball-Füchse und CDU-Bundestagsabgeordneter, hat behauptet, deutsche Olympiabewerbungen seien nun »bis 2040 oder gar 2050« gestorben...

Also meine Prognosefähigkeit wäre schon toll, wenn ich die Dinge in den nächsten Wochen vorhersagen kann. 2040, 2050? Soweit schaut ja noch nicht einmal der Papst in die Zukunft. Aber im Ernst. Jetzt gilt es erst mal, sich zu sortieren. Es gibt keinen Anlass, sich auf die Schulter zu klopfen. Auch nicht für die, die vorne an der Spitze stehen. Das ist nun mal so.

2024 ist beendet. Wollen wir mal schauen, wie sich alles entwickelt. Eine denkbare Konstellation wäre 2021.

Das wäre dann eine Bewerbung für Olympia 2028. Sind denn Olympische Spiele in westlichen Demokratien überhaupt noch möglich?

Ich glaube schon: Es darf nur nicht eine so große Lücke zwischen der Idee und der Realität entstehen. Daran muss man arbeiten. Ich habe ja immer gesagt, die Reformagenda von IOC-Präsident Thomas Bach muss man sich anschauen: Wie läuft das? Die jüngste Entscheidung für Peking als Ausrichter der Winterspiele 2022 - darauf wäre man ja nicht sofort gekommen. Man muss abwarten. Wenn sich natürlich westliche Demokratien gar nicht mehr bewerben, ist es auch schwierig für Olympia.

Ist eine deutsche Olympiabewerbung in Zukunft jemals noch ohne Volksabstimmung vorstellbar?

Ach, wissen Sie, ich kann mir vieles vorstellen. Aber derzeit ist es eben so, dass in dem Alltagsbewusstsein der Menschen - und das vollkommen legitim - mittlerweile tiefe Skepsis beim Thema Sportgroßveranstaltungen herrscht. Und die muss man erst mal ausräumen, dann kann man weitersehen.

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