Mietpreisbremse funktioniert nicht richtig

Dämpfungseffekte für Wohnungskosten bleiben laut einem Vermittlungsportal hinter den Erwartungen zurück

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.
Viele Hoffnungen hatte vor allem die SPD in die Mietpreisbremse gesteckt - in einigen hochpreisigen Stadtteilen gingen die Angebotsmieten zurück, insgesamt gibt es aber eine ungebremste Dynamik.

Die Einführung der sogenannten Mietpreisbremse im Juni 2015 hat in Berlin nicht zu einer nachhaltigen Dämpfung des Anstiegs der Mieten bei Neuverträgen beigetragen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung von ImmoScout 24, dem bundesweit führenden Onlineportal für Wohnungsangebote, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Über das Portal werden in der Hauptstadt fast 50 Prozent aller Neuvermietungen angeboten.

»Zwar sind die Angebotsmieten in bereits hochpreisigen Stadtteilen wie Kreuzberg und Friedrichshain seitdem leicht rückläufig, doch auf den gesamtstädtischen Markt bezogen stiegen die Neumieten weiterhin an«, sagt Jan Hebecker, der bei dem Immobilien-Portal für die Marktanalyse verantwortlich ist. So sei in Neukölln im 2. Halbjahr 2015 für sanierte Altbauten ein Anstieg der Neumieten um 3,5 Prozent zu verzeichnen. In absehbarer Zeit sei damit zu rechnen, dass sich das Mietpreisniveau in nördlichen Teilen Neuköllns dem Kreuzbergs angleichen werde.

Die Mietpreisbremse sieht vor, dass Mieterhöhungen bei Neuverträgen für Bestandswohnungen bei einem Wert von zehn Prozent oberhalb des jeweiligen Mietspiegelwertes gedeckelt werden. Bereits überhöhte Mieten müssen aber nicht gesenkt werden. Ferner gibt es Ausnahmen für aufwendig sanierte Wohnungen.

Es sei offensichtlich, dass sich die meisten Vermieter nicht am Mietspiegel, sondern »an den in dem jeweiligen Quartier zu erzielenden Marktmieten orientieren«, sagt Hebecker. Allerdings habe man nicht untersucht, ob die Neumieten in dem Untersuchungszeitraum möglicherweise rechtswidrig sind oder auf bereits zuvor gezahlten Mieten basierten. Laut der Untersuchung pendelten sich die durchschnittlichen Angebotsmieten in den drei untersuchten Stadtteilen Kreuzberg, Friedrichshain und Neukölln bei rund zehn Euro pro Quadratmeter nettokalt ein. Je nach Wohnlage und Baualtersklasse gibt es daher erhebliche Abweichungen von den derzeit gültigen Mietspiegelwerten. Am deutlichsten wird das bei den in den 1970er Jahren gebauten Sozialwohnungen in Kreuzberg, die nach Auslaufen der der Förderung dem freien Markt übergeben wurden. Dem Mietspiegelwert von 5,18 Euro pro Quadratmeter stehen durchschnittliche Neuvertragsmieten von 9,75 Euro gegenüber, was einer Abweichung von 88,2 Prozent entspricht. Bei den sanierten Altbauten beträgt die Differenz zwischen 30 bis 40 Prozent.

Hebecker geht für die kommenden Jahre von einer »ungebremsten Dynamik« der Marktentwicklung in den gefragten Bezirken aus. Solange es eine große und vor allem zahlungskräftige Nachfrage nach Mietwohnungen in innerstädtischen Gebieten gebe, könnten Instrumente wie die Mietpreisbremse wenn überhaupt nur in sehr geringem Maße preisdämpfend wirken. Zumal die Berliner Angebotsmieten im Vergleich zu anderen deutschen Metropolen immer noch deutlich günstiger seien. Auch der Mietspiegel sei in seiner derzeitigen Form kein geeignetes Instrument mehr.

Der Immobilienanalyst Hebecker plädiert daher für eine marktradikale Lösung. Die Kriterien für einfache, mittlere und gute Wohnlagen sollten sich künftig nicht mehr an objektiven Kriterien wie Lärmbelastung, Verdichtung Wohnumfeld und Infrastruktur orientieren, sondern einzig und allein an der tatsächlichen Angebotsentwicklung.

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