Unter Riads Regie

Syrische Oppositionsgruppen mit Plan zur Nachkriegszeit

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 3 Min.
Hinter verschlossenen Türen haben in Riad Vertreter der syrischen Regierungsgegner konferiert. Man habe sich, so hieß es, auf einen Acht-Punkte-Plan für die Gestaltung der Nachkriegszeit verständigt.

Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad war am Mittwoch und Donnerstag Konferenzort syrischer Regierungsgegner, und präsentiert wurde am Ende ein Papier mit politischen Grundsätzen, wie es nach einem Ende des nunmehr vier Jahre und neun Monate andauernden Krieges in Syrien weitergehen soll. Diskutiert wurde hinter verschlossenen Türen. In aller Regel bringt es Konferenzen voran, wenn nicht jede noch nicht abgestimmte Position in der Öffentlichkeit zerpflückt wird und damit politisch verbrannt ist. Betrachtet sich man die verabschiedeten Regeln für ein Nachkriegs-Syrien, sind auch noch andere Gründe wahrscheinlich.

Geeinigt habe man sich, so heißt es bei dpa, auf «Prinzipien eines demokratischen, zivilen und pluralistischen Rechtsstaates ohne Assad». Die Führung der im Istanbuler Exil residierenden Nationalen Syrischen Koalition erklärte, man habe sich auch «auf die Wahrung der Menschenrechte, die Bekämpfung des Terrorismus und die Ablehnung aller ausländischen Kräfte im Land geeinigt. Das sind eine ganze Menge Dinge, für die man - in Saudi-Arabien öffentlich gefordert - mit 1000 Peitschenhieben noch glimpflich davonkommt. Es ist also davon auszugehen, dass in Riad nichts ohne den Segen der saudischen Regierung öffentlich wurde. Zusätzlich wahrte man räumliche Distanz. König Salman war nicht zugegen, sondern weilte ausschließlich auf der parallel ebenfalls in Riad abgehaltenen Tagung des Golfkooperationsrates. Saudi-Arabiens Regierung, nicht der König(!), hatte zwar unter den etwa 100 Teilnehmern auch Vertreter der legalen syrischen Opposition geladen, aber deren politische Vorstellungen wollte Riad nicht auch noch durch königliche Anwesenheit als akzeptabel erscheinen lassen.

Von den in Syrien agierenden islamisch-fundamentalistischen Milizen fehlten dagegen die wichtigsten, zum Beispiel die - neben dem Islamischen Staat - stärkste militärische Formation, die Nusra-Front. Sie steht in Verbindung zur Türkei und zu den Muslimbrüdern und ist damit schärfste ideologische Gegnerschaft. Anwesend waren andere extremistische Gruppen wie Ahrar al-Scham (etwa: Freie Männer der Levante) und Dschaisch al-Islam (Islamisches Heer) sowie die aus Deserteuren bestehende, militärisch inzwischen unbedeutende Freie Syrische Armee. Die verkündeten politischen Postulate wurden von den Milizenvertretern wie den Ultraislamisten wohl als diplomatische Folklore gedeutet, die man später nicht weiter beachten muss.

Deshalb ließ man sie passieren. Einziger wichtiger gemeinsamer Nenner war und ist damit die unversöhnliche Gegnerschaft zu Baschar al-Assad. Das Fell des Präsidenten wurde also ein weiteres Mal recht vorzeitig zerteilt. Man war schon einmal weiter. Bei der kürzlichen Syrien-Konferenz in Wien waltete so viel Realismus, dass man dem aktuellen Regime, mit dessen Weiterbestehen christliche und andere religiöse Minderheiten Syriens ihre schiere Existenz verbinden, mindestens eine Übergangsrolle zubilligte.

In Riad ist man hinter Wien zurückgefallen. Vertreter von Alewiten, Drusen, Christen und anderen Minderheiten waren in Riad nicht geladen, nicht einmal Kurden. Die hielten deshalb demonstrativ zur selben Zeit in Malikiya in Nordostsyrien eine »Syrische Demokratische Konferenz« ab. Wer es wirklich wissen wollte wie die Kurden, der erfuhr auch wie sie, dass zu den »ausländischen Kräften«, die es in Syrien nicht mehr geben solle, auch die aus Irak und der Türkei zu Hilfe gekommenen Kurden gezählt werden.

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