nd-aktuell.de / 16.12.2015 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 2

Bundeskanzlerin stoppt Arbeitsministerin

Der Gesetzentwurf zum Schutz von LeiharbeiterInnen und Werkvertraglern wird im Kanzleramt neu verhandelt

Die Zahl der Beschäftigten in Leiharbeit oder mit Werkvertrag steigt. Doch mit dem Schutz der Beschäftigten tut sich die Politik schwer.

In der Leiharbeitsbranche arbeiteten nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit Ende 2014 rund 823 000 Menschen. Die Gewerkschaften sprechen von rund 870 000 Beschäftigten, für die die Tarifverträge des DGB gelten. Die Abweichungen erklären sich vermutlich aus unterschiedlicher Aktualität - Fakt ist, das die Zahl der LeiharbeiterInnen zwischen 2010 und 2013 gesunken ist und seit dem Vorjahr wieder ansteigt.

Was aber tun gegen den organisierten Niedriglohnbereich? Mit ihrem jüngsten Gesetzentwurf wollte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) den Missbrauch eindämmen und ein bisschen wieder gutmachen, was Rot-Grün 2003 verbockt hat: Gleiche Bezahlung und Behandlung nach neun Monaten, höchstens 18 Monate Entleihzeit, dazu ein Verbot, LeiharbeiterInnen als Streikbrecher einzusetzen, und Klauseln gegen den ausufernden Missbrauch von Werkverträgen.

Während Gewerkschaften und Opposition wetterten, der Entwurf schütze nichts und niemanden, gibt sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als Hüterin des Koalitionsvertrages und griff das Wehklagen der Wirtschaftsverbände auf, die einmal mehr den Untergang der exportweltmeisternden Wirtschaft sahen. Zu viel Regulierung, »ein Großangriff auf Hunderttausende selbstständige Unternehmen in der modernen arbeitsteiligen Wirtschaft«, sagte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer laut Deutschlandfunk. Merkel stoppte den Entwurf. Statt am Mittwoch vom Kabinett abgesegnet zu werden, soll nun ab Donnerstag im Kanzleramt zwischen Nahles, Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU), Unternehmerverbänden und Gewerkschaften ein Kompromiss gefunden werden.

Man darf gespannt sein. Auch 2003 saßen die Gewerkschaften mit am Tisch, hin und her gerissen zwischen eigener Schwäche, dem Druck der Christlichen Gewerkschaftskonkurrenz, der Wirtschaft und den unbedingt arbeitsmarktreformwilligen rot-grünen Koalitionären.

Doch der Wind in den DGB-Gewerkschaften hat sich gedreht. Wurden vor Jahren LeiharbeiterInnen noch als Schutz gesehen, nicht die Axt an die Stammbelegschaften legen zu müssen, sind besonders die IG Metall und ver.di heute stramm gegen die Leiharbeit. Beide haben sehr gute Tarifabschlüsse für die Behandlung und Bezahlung von Leiharbeit erreicht. Das aber geht nur in Bereichen, in denen die Gewerkschaften wirklich stark sind, und derer sind es nicht viele. jme