nd-aktuell.de / 17.12.2015 / Politik / Seite 27

Mit ansteckendem Enthusiasmus für eine ganze Gemeinde

Rosa Blandóns Engagement in den »Stadtgärten gegen den Hunger«

Willi Volks
Rosa Blandón
Rosa Blandón

Derzeit ist INKOTA-Projektreferent Willi Volks auf Projektreise in Nicaragua und berichtet für die nd-Leserinnen und -Leser direkt aus der Hauptstadt Managua, wo er die Organisation CAPRI besucht, deren »Stadtgärten gegen den Hunger« INKOTA seit drei Jahren unterstützt.

Ich sitze mit Rosa Blandón vor ihrem Haus in Israel Galeano am Rande von Managua. Ihr Mann Mauricio grüßt mich kurz und verschwindet dann durch das kleine Gartentor nach draußen. »Er geht jetzt einen Lkw beladen. Er sucht sich täglich Arbeit, meist belädt er Lkws mit Schutt oder Baumaterial oder er macht Hilfsarbeiten beim Häuserbau. Ich arbeite zuhause und kümmere mich um unsere drei Kinder und einen Enkel. Und außerdem arbeite ich für die Gemeinde: Ich bin eine líderesa«, klärt mich Rosa auf. Líder oder líderesa werden in Nicaragua Männer oder Frauen genannt, die von sich aus Führungseigenschaften aufweisen und sich ohne Bezahlung und ohne offizielle Funktion um die Belange in ihren Gemeinden kümmern.

Dass Rosa Blandón andere Menschen mit ihrer Energie und ihrem Enthusiasmus mitreißen kann, merke ich sofort. Kaum hatte ich mich hingesetzt, musste ich mit ihr schon wieder auf den abschüssigen, durchfurchten Weg hinaus. Dort weist sie auf Arbeiter hin, die weiter unten einen kleinen Kanal anlegen, damit das Regenwasser abfließen kann. »Daran haben wir schon nicht mehr geglaubt. Jedes Jahr in der Regenzeit haben wir darauf gedrungen, dass sich jemand von dem Bürgermeisteramt anschaut, wie in unsere Parzellen und Häuser Wasser eindringt. Immer haben sie uns vertröstet, doch dieses Jahr haben sie endlich angefangen zu bauen. Das war auch nötig, denn ich bin schließlich Promotorin für Ernährungssicherheit, da kann ich den Frauen keine Parzelle demonstrieren, die ständig unter Wasser steht«, meint Rosa Blandón mit einem ansteckenden Lachen.

Nachdem wir uns wieder vor ihr Haus gesetzt haben, meint sie kurz: »Ich glaube, das Geld für diese Ausbildung hatte CAPRI von INKOTA«, um mir dann zu erklären, dass sie in diesem Jahr fünf Frauen hilft, einen Gemüsegarten anzulegen, und ihnen ihre erworbenen Kenntnisse weitergibt. »Schade, dass Du nicht morgen kommst, da machen wir hier eine Weiterbildung für 15 Frauen. Ich erkläre ihnen zunächst, wie sie biologisches Insektenbekämpfungsmittel produzieren und anwenden können - und dann stellen wir es gleich einmal gemeinsam her«, fährt sie fort.

Aber das ist bei Weitem nicht alles, was Rosa Blandón in ihrer Gemeinde macht. Sie hat auch eine Ausbildung in Sachen gesunde Ernährung erhalten, kocht mit anderen Frauen zusammen und gibt ihnen Rezepte, wie sie ihr Gemüse zubereiten können oder unterstützt Jugendliche bei deren Kampagnen ihrer ökologischen Brigaden zur Verbesserung des Wohnumfeldes und bei der Beseitigung von illegalen Müllhalden. Wenn Frauen bei den Weiterbildungen fehlen, fragt sie nach, was mit Ihnen los ist. Ist eine von ihnen krank, macht sie sich zu einem Hausbesuch mit Obst und Gemüse auf den Weg.

Rosa Blandón wirkt ansteckend mit ihrem Enthusiasmus und hat diesen offensichtlich auch auf ihre zehnjährige Tochter Rosa Elena übertragen, die gerade von einem Treffen ihrer Theatergruppe bei CAPRI zurückkommt. Wenn es nach ihrer Mutter gehen würde, sollte sie mir ihre Rolle darin gleich vorspielen, aber Rosa Elena möchte nicht. Sie demonstriert mir lieber, wie sich ihre beiden Papageien auf ihre Schultern setzen. Dann zeigt sie mir ihre eigene kleine Anpflanzung von Gurken und Rote Beete. »Sie ist eine kleine Verkäuferin«, sagt ihre Mutter und erzählt mir, dass sie vor ihrer Schule Gemüse verkauft. Damit ist sie dem aktuellen CAPRI-Projekt ein wenig voraus: Mit dem gezielten Verkauf von Gemüse und Obst soll darin erst noch begonnen werden.

Auch Kinder helfen gerne und freiwillig beim Anbau in den »Stadtgärten gegen den Hunger« in Managua
Auch Kinder helfen gerne und freiwillig beim Anbau in den »Stadtgärten gegen den Hunger« in Managua