Ab 2022 vollautomatisch und ohne den lästigen Papierkram

Steuererklärung der Zukunft

  • Lesedauer: 4 Min.
Das digitale Zeitalter »Finanzamt 2.0« hält Einzug. Spätestens ab 2022 sollen Steuerverfahren flächendeckend vollautomatisch abgewickelt werden können.

Was ist der Grund für den »Modernisierungsplan«?

Das sind zum einen die Vorschriften in der Abgabenordnung. Die stammen größtenteils aus den 1970er Jahren und passen nicht zu den heutigen Kommunikationsmitteln. Vor allem aber: In den nächsten Jahren gehen zahlreiche Finanzbeamte in den Ruhestand. Schon heute fehlen Tausende von Beamten.

Was sehen die Pläne vor?

Künftig sollen Finanzämter den Großteil der Steuererklärungen vollautomatisch bearbeiten. Lediglich ein Teil soll noch manuell bearbeitet werden. Es gibt aber keinen Zwang zur Volldigitalisierung. Das Gesetz soll weitgehend zum 1. Januar 2017 in Kraft treten, die Umsetzung aber schrittweise bis zum Jahr 2022 erfolgen.

Es gibt doch schon die elek-tronische Steuererklärung?

Ja, die vorausgefüllte Steuererklärung wurde 2014 eingeführt. Das bestehende »Elster«-Verfahren soll nun ausgebaut werden. Rund die Hälfte der Einkommensteuererklärungen wird bereits heute in elektronischer Form abgegeben. Bürger, die ihre Steuererklärung freiwillig elektronisch abgeben, sollen auch von einer schnelleren Bearbeitung profitieren.

Wie soll das gelingen?

Die vorausgefüllte Steuererklärung kann aus dem Internet geladen werden. Seine Identität kann der Steuerpflichtige per elektronischem Personalausweis oder über eine geplante Elster-App nachweisen. Wer dem Computersystem des Fiskus nicht traut, kann jederzeit per Klick eine Prüfung durch Sachbearbeiter beantragen. Daten Dritter wie die des Arbeitgebers, der Kranken- und Rentenkasse oder der Banken werden künftig ebenfalls elektronisch eingefügt. Die fertige jährliche Steuererklärung kann dann per Knopfdruck an das Finanzamt übermittelt werden - der Steuerbescheid kommt ebenfalls digital zurück.

Ist dann Schluss mit Papierbergen und Sammelkartons?

Ja und Nein. Der Zettelwust soll aus den Finanzämtern verbannt werden. Ab 2017 entfallen Belegvorlagepflichten: Bürger müssen Belege zwar aufheben, aber nicht mit der Steuererklärung abgeben. Das Finanzamt kann Belege nur bei Bedarf anfordern. Die können dann eingescannt und elektronisch übermittelt werden.

Sind Finanzbeamte künftig komplett außen vor?

Nein, aber die Steuerverwaltungen sollen durch die Automatisierung eines Großteils der Verfahren personell entlastet werden und effizienter arbeiten können. Ein Personalabbau soll damit aber nicht verbunden sein. Durch den Wegfall vieler Bearbeitungsfälle sollen die Finanzbeamten mehr Zeit für komplexere Sachverhalte bekommen. Dies gelte einerseits für Fälle, in denen Bürger selbst um eine genauere Prüfung ihrer Steuerdaten bitten und andererseits für solche, in denen der Fiskus detailliertere Kontrolle für nötig hält. Es sollen lediglich betrugsanfällige und komplexe Erklärungen durch ein »Risikomanagementsystem« herausgefiltert werden. Wichtig ist aus Sicht von Experten, dass dieser Filter auch die Gleichmäßigkeit der Besteuerung sichert. Angeblich mehr als 100 Kriterien für den Risikofilter sollen die Bundesländer selbst entwickeln.

Muss die Steuererklärung online eingereicht werden? Die Nutzung des erweiterten Online-Angebotes soll vollkommen freiwillig ablaufen. Wer will, kann seine Steuererklärung also weiterhin in Papierform einreichen. Wer Zweifel an der korrekten Bearbeitung seiner digital eingereichten Daten hat, soll zudem eine klassische Überprüfung seines Falles durch einen Mitarbeiter beantragen können. Außerdem soll ein Freitextfeld beim elektronischen Verfahren Steuerzahlern die Möglichkeit geben, dem Finanzamt aus ihrer Sicht wichtige Zusatzangaben zur Steuererklärung beizufügen.

Wen betreffen die Veränderungen? Die Umstellung auf ein vollautomatisches Verfahren soll vor allem für die meist wenig komplizierten Steuererklärungen von Arbeitnehmern gelten und damit für den überwiegenden Teil aller Steuerzahler. Die Bearbeitung betrieblicher Steuererklärungen ist nicht betroffen.

Welche Erleichterungen sind noch geplant?

Rentner etwa müssen ihre Bezüge nicht mehr in die Steuererklärung übertragen. Sie können durch Ankreuzen entscheiden, ob das Finanzamt auf die Daten zurückgreifen soll, die von Rentenversicherern elektronisch übermittelt wurden.

Was ändert sich noch?

Die Frist für die Abgabe der Erklärungen wird verlängert. Wer einen Steuerberater hinzuzieht, hat künftig nicht nur bis zum Ende des Folgejahres Zeit dazu, sondern bis Ende Februar des übernächsten Jahres. Bei einer Fristüberschreitung des Steuerberaters wird allerdings eine Zusatzgebühr fällig.

Wie urteilen die Experten?

Sie loben die Gesetzespläne, weil damit das verstaubte Besteuerungsverfahren für die nächsten Jahrzehnte fit gemacht wird. Sie warnen aber auch: Effizienz dürfe nicht nur dem Finanzamt nützen. Bei einer maschinellen Bearbeitung dürfe die Hinweispflicht der Finanzbehörden nicht ausgehebelt werden. Bisher konnte sich der Laie darauf verlassen, dass die Steuererklärung auch zu seinen Gunsten geprüft wird. Das müsse weiterhin gelten. Auch im digitalen Zeitalter bleibt das Steuerrecht kompliziert, so dass eine hohe Fehlerquote absehbar ist. dpa/nd

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