Schweden macht die Schotten dicht

Passkontrollen erschweren den Grenzverkehr mit Dänemark drastisch

  • Bengt Arvidsson, Stockholm
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit Montag halten strenge Passkontrollen an Schwedens Grenzen papierlose Flüchtlinge zurück. Erstmals seit 15 Jahren ist die Öresundbrücke nicht frei passierbar.

Die Schwedin Monika Engström hatte die Existenz einer Grenze zwischen Schweden und Dänemark eigentlich schon fast vergessen. Seit vielen Jahren fährt die Hotelangestellte täglich mit der S-Bahn von Südschweden über die Öresundbrücke nach Kopenhagen zum Arbeiten. Abends geht es dann wieder zurück nach Schweden, wo die Wohnungen preiswerter sind. Der Großraum Kopenhagen und die schwedische Region Schonen um Malmö sind in den letzten 15 Jahren dank Öresundbrücke zu einem Lebensraum zusammengeschmolzen. Er war das Paradebeispiel grenzenloser europäischer Integration schlechthin. Insgesamt passieren wie Eva täglich rund 95 800 Menschen ungehindert den Öresund.

Damit ist nun erst einmal Schluss. Zu der halbstündigen Bahnfahrt dürften laut Zugbetreiber bis zu 50 Warteminuten hinzukommen. Im Bahnhof des Kopenhagener Flughafens Kastrup stellt der Däne Henrik Droob mürrisch Schilder am Bahnsteig auf. Darauf steht »Bitte Pässe bereit halten«.

Schon am ersten Tag der Wiedereinführung von flächendeckenden Passkontrollen müssen sämtliche Zugreisenden von Dänemark nach Schweden zunächst aussteigen, und das Gleis über Rolltreppen wechseln. Es geht hoch und dann wieder runter. Ein 325 Meter langer Zaun auf dem Bahnsteig verhindert das direkte Umsteigen. In Schleusen begutachten rund 150 neongelb gekleidete Kontrolleure eines Wachschutzunternehmens die Ausweise sämtlicher Passagiere und fotografieren sie.

»Beunruhigend, dass die unsere Ausweise fotografieren«, sagt Engström. Ihr gefällt das alles nicht. »Das wird täglich unglaubliche Probleme bringen. Ich konnte tagelang nicht schlafen, weil ich nicht weiß, ob ich mit all den Staus jeden Tag nach Dänemark zur Arbeit pendeln will. Ich pendle seit 14 Jahren, aber das wird zu viel«, sagt auch die Schwedin Eva, die täglich von einem Dorf nahe der Stadt Lund nach Dänemark zur Arbeit fährt. Kopenhagens Bürgermeister Frank Jensen warnte: »Diese Grenzkontrollen verschlechtern die wirtschaftliche Lage in unserer Region.« Die rot-grüne Regierung Schwedens hat im Dezember allen Transportunternehmen, die Menschen mit Zügen, Bussen oder Fähren von Dänemark oder Deutschland nach Schweden bringen, verboten, Flüchtlinge ohne Papiere mitzunehmen. Laut schwedischer Ausländerbehörde hat ein zunehmend großer Anteil aller Asylsuchenden 2015 keine Reisepässe vorzeigen können. Um zu sehen, ob die Transportunternehmen auch konsequent sind, führt die schwedische Polizei zusätzliche Kontrollen auf schwedischer Seite durch. Schweden beruft sich bei Papierlosen auf das Schengener Abkommen. Sowohl Deutschland als auch Dänemark gelten als sichere Herkunftsländer.

Schweden hat auf die Gesamtbevölkerung gerechnet noch weit vor Deutschland am meisten Flüchtlinge in der EU aufgenommen. Es habe seine Pflicht erfüllt, so der Tenor aus Stockholm. »Wenn alle EU Länder so viele Flüchtlinge aufgenommen hätten wie wir und Deutschland, gäbe es gar keine europäische Flüchtlingskrise«, kritisiert Migrationsminister Morgan Johansson.

Die Anzahl der Flüchtlinge nach Schweden ist bereits seit Anfang Dezember auf unter die Hälfte pro Woche gesunken, vor allem wegen der Vorankündigung der verschärften Regeln zum Familienzusammenzug Ende November. Hunderte von Asylbewerbern ziehen derzeit gar ihre Anträge zurück, weil sie in andere Länder ausweichen wollen, etwa nach Deutschland. Laut Umfragen ist auch eine Mehrheit der Schweden seit Kurzem erstmals für eine Verschärfung der Flüchtlingspolitik.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal