Leipzig will Legida heimleuchten

Breites regionales Bündnis ruft zum Jahrestag der ersten rassistischen Proteste zu einer Lichterkette

  • Jennifer Stange, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.
Vertreter von Wirtschaft, Politik, Verbänden und der Kirche in Leipzig rufen für diesen Montag zu einer Lichterkette unter dem Motto »Leipzig bleibt helle« in die Messestadt. Auch Legida mobilisiert.

»No Legida« hat jetzt sogar die besseren Autos. Porsche- und BMW-Manager aus den Automobilwerken bei Leipzig rufen zusammen mit dem Oberbürgermeister Burkhard Jung für Montagabend zu einer Lichterkette um den Innenstadtring der Messestadt auf. So will man zum Jahrestag der ersten Demonstration des Pegida-Ablegers in Leipzig ein starkes Zeichen setzen.

»Es ist unglaublich wichtig, gerade in diesen Tagen, immer wieder deutlich zu machen, dass wir eine Stadt der Weltoffenheit, eine Stadt der Vielfalt möchten. Dass wir Menschen, gleich welcher Herkunft, gleich welchen Bekenntnisses, gleich welche Hautfarbe, gleich welcher sexuellen Orientierung beheimaten wollen«, erklärte Oberbürgermeister Jung am Freitag auf einer Pressekonferenz in der Thomaskirche. Neben ihm saßen dabei neben den Vertreten der Autobranche in der Stadt auch der frühere Thomaskirchen-Pfarrer Christian Wolff, der auch Mitbegründer der Initiative »Willkommen in Leipzig« ist, sowie Frank Kimmerle vom Bürgerbündnis »Leipzig zeigt Courage«.

Die Unterstützerinnenliste für die Lichterkette ist lang und ragt weit über das übliche Anti-Nazi-Spektrum hinaus. Bürgerinitiativen, Gewerkschaften, Parteien, Kirchen und Vereine - klar, aber auch viele Professorinnen, Anwälte, Architektinnen und Unternehmer haben unterzeichnet. Umso bemerkenswerter also, wofür sie laut Aufruf stehen: Für das Grundrecht auf Asyl, ein Europa der offenen Grenzen und eine menschenwürdige Aufnahme von Flüchtlingen.

Dies sind Positionen, die vor einem Jahr vielleicht noch als Common sense durchgegangen wären. Und heute? Deutschlandtrend, Januar 2016: Eine Mehrheit von 61 Prozent der Bevölkerung befürwortet die Einführung einer »Obergrenze« für Flüchtlinge. Und Burkhard Jungs Parteigenosse Sigmar Gabriel beispielsweise will »Heimat-Haft« für ausländische Täter.

Die Gida-Bewegungen werden zwar nicht mehr offen gehätschelt - nicht einmal in Dresden -, aber die Politik gibt nach, offenbar mürbe gewordene Medien fürchten die rechte Gegenöffentlichkeit, gehen nicht mehr den Ursachen der Taten in der Kölner Silvesternacht nach, sondern der Frage: Aus welchem Land kommen die Täter? Doch der angst- und sorgenummantelte Hass der rechten Bewegung braucht diese Ereignisse gar nicht. Er braucht schweigende Mehrheiten, er braucht »Toleranz«: für etwa 500 Attacken auf Asylbewerberheim in Sachsen, Übergriffe auf Flüchtlinge, Angriffe auf Journalistinnen und so weiter.

25 000 Leipziger sind vor einem Jahr auf die Straße gegangen, um dem neuen rechten Zeitgeist nicht das Feld zu überlassen. Obwohl es Legida immer noch gibt, ist es doch mindestens gelungen, die Truppe auf ihr Kondensat zu schrumpfen: altbekannte Schlägernazis, zurück aus den 90ern, junge Kameradschaften - kaum noch angeblich ganz normale Bürger. Ein Jahr später geht es auch nicht mehr nur um die 100 bis 300 Legidas. Jung sagt auf der Pressekonferenz, es gehe auch darum, einen Unterschied zu machen zu Dresden und darum ein Lichtblick zu sein in Sachsen. Imagepflege, natürlich. Aber tatsächlich ist Burkhard Jung im vergangenen Jahr zu einer Art Lichtgestalt geworden. Gegenüber den Amtskollegen, die häufig nur dann, wenn sich nicht mehr schweigen lässt, weil die Medien schon da sind, bestenfalls Gewaltausbrüche gegen Geflüchtete verurteilen.

Jung handelt aus Überzeugung, immer wieder hat er im letzten Jahr erklärt, dass es wichtig und notwendig sei, »klare Kante« zu zeigen gegen Rechts, gegen Rassismus und gegen Legida. Trotz Morddrohungen, die ihn im vergangenen Jahr erreichten. »Ich ändere gar nichts!«, verkündete er beinahe stolz im Fernsehen. Unter diesen Umständen ist es beinahe verständlich, dass sich die CDU fremd fühlt in der Stadt. Die Stadtratsfraktion wird am Montagabend bei der Lichterkette nicht dabei sein. Die Leipziger CDU-Bundestagsabgeordnete Bettina Kudla erklärte gegenüber der »Leipziger Volkszeitung«, sie lehne deren Ziele weitgehend ab. Ihre Abwesenheit wäre sonst wohl nicht aufgefallen.

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