nd-aktuell.de / 12.01.2016 / Politik / Seite 13

Wohnen im Nordosten wird teurer

In Mecklenburg-Vorpommern drehen zahlreiche Kommunen an der Steuerschraube

Iris Leithold, Schwerin
In vielen Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns herrscht Geldnot. Nicht selten werden deshalb die örtlichen Steuern erhöht. Bei der Grundsteuer spüren das alle Haushalte.

Viele Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern verteuern dieses Jahr das Wohnen, indem sie die Steuer für bebaute Grundstücke erhöhen. Das ergaben dpa-Recherchen. Die Grundsteuer B müssen Eigentümer bezahlen. Sie legen die Kosten jedoch auf die Mieter um. Damit sind letztlich alle Haushalte betroffen.

Das Landesinnenministerium hat laut einer Sprecherin noch keinen Überblick über die Planungen 2016. Im vergangenen Jahr erhöhten nach bisherigem Kenntnisstand des Ministeriums 211 Kommunen den Hebesatz, darunter Binz von 320 auf 400 Prozent und Behrenhoff (Landkreis Vorpommern-Rügen) von 365 auf 600 Prozent. Eine Gemeinde senkte die Grundsteuer B. Die Höhe des Hebesatzes ist ein entscheidender Faktor zur Berechnung der Grundsteuer.

Auch in diesem Jahr steigen die Hebesätze kräftig: Die Bürgerschaft von Stralsund hat eine Erhöhung von 500 auf 545 Prozent beschlossen. In Ludwigslust wächst der Satz von 344 auf 373 Prozent. In Wismar liegt gleich ein Stufenplan für vier Jahre in Folge vor: Betrug der Hebesatz 2014 dort 500 Prozent, stieg er 2015 auf 550. 2016 beträgt er 560 und 2017 dann 570 Prozent. Am kräftigsten langt die chronisch klamme Landeshauptstadt Schwerin mit 630 Prozent zu. Eine Erhöhung ist derzeit aber nicht im Gespräch. Die kleine Gemeinde Lübs im Amt am Stettiner Haff erhöht von 370 auf 373 Prozent, die Kleinstadt Rehna (Nordwestmecklenburg) von 340 auf 370 Prozent. In vielen Kommunen herrscht die Geldnot und es wird versucht, die Einnahmen zu steigern. Freiwillige Leistungen zu streichen oder zu kürzen, wird oft als wenig hilfreich angesehen.

Der Bund der Steuerzahler sieht den Aufwärtstrend mit Sorge und kritisiert in dem Zusammenhang das Land Mecklenburg-Vorpommern. Im kommunalen Finanzausgleichsgesetz gebe es einen Hebel, mit dem Städte und Gemeinden mit niedriger Grundsteuer B praktisch zur Erhöhung gedrängt werden, sagte ein Pressesprecher der Vereinigung. Bleibt eine Kommune mit ihrem Hebesatz unter dem Landesdurchschnitt, erhalte sie geringere Schlüsselzuweisungen. Das Ministerium in Schwerin verteidigt sein Vorgehen. Damit werde sichergestellt, dass ein »Steuersatzdumping« nicht zu höheren Schlüsselzuweisungen führe und umgekehrt höhere Hebesätze nicht durch niedrige Schlüsselzuweisungen bestraft werden, teilte die Pressestelle mit. In allen Finanzausgleichsregelungen, auch beim Bund-Länder-Finanzausgleich, werde vergleichbar vorgegangen.

Rainer Kersten vom Steuerzahlerbund hingegen sieht dadurch eine Spirale nach oben in Gang gesetzt: »Hebt eine Gemeinde ihren Satz an, steigt der Landesdurchschnitt und die anderen müssen nachziehen, damit sie ihr Geld vom Land bekommen«, sagte er. Der Steuerzahlerbund halte dieses Instrument, das es auch in Schleswig-Holstein gebe, für absolut ungeeignet. Dadurch werde auch der Wettbewerb zwischen den Kommunen beeinträchtigt.

Mancherorts tun sich die Vertretungen klammer Gemeinden schwer, die sogenannten Realsteuern zu erhöhen, obwohl sie massiven Druck vom Landkreis bekommen. Zum Beispiel Anklam (Vorpommern-Greifswald): Dort wollte die Verwaltung schon zum 1. Januar 2015 den Hebesatz für die Grundsteuer B von 375 auf 500 Prozent anheben. Das bedeutet für ein durchschnittliches Einfamilienhausgrundstück eine Steigerung von 188 auf 251 Euro im Jahr - ein Plus von 63 Euro oder 33,5 Prozent. Auch die Grundsteuer A und die Gewerbesteuer sollten erhöht werden. Die Stadtvertretung lehnte ab.

Angesichts eines Defizits von mehreren Millionen Euro im Etat muss Anklam demnächst aber ein Haushaltssicherungskonzept verabschieden. Stadtkämmerer Detlef Butzke sagte, aller Voraussicht nach werde die Verwaltung wieder die Steuererhöhung vorschlagen. Als Mehreinnahmen sind über eine Million Euro pro Jahr prognostiziert. Einen anderen Weg gebe es nicht, wenn der Standard in der Kommune gehalten werden soll, sagte der Kämmerer.

Der Landkreis Vorpommern-Greifswald als Untere Rechtsaufsichtsbehörde rechnete der rund 13 000 Einwohner zählenden Stadt vor, dass es für den gesetzlich geforderten Haushaltsausgleich nicht reiche, sich an den Durchschnittshebesätzen für kreisangehörige Kommunen im Land zu orientieren. Um die freiwilligen Leistungen finanzieren zu können, bedürfe es einer Anpassung des Hebesatzes bei der Grundsteuer B auf 830 Prozent. dpa/nd