Rotenburg: Nazis dringen in Flüchtlingsheim ein

Anschlag auf Linkspartei-Büro in Sachsen / Angriff auf Sicherheitsdienst von Asylunterkunft in Berlin / Brandanschläge auf Asylbewerberheime in Sachsen und Bayern / Tausende in Stuttgart gegen rechte Gewalt auf der Straße

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Berlin. Auch an diesem Wochenende sind wieder rassistische Anschläge und Attacken gegen Linke bekannt geworden. Es regte sich aber auch Widerstand gegen den zunehmenden Rechtsruck.

In der Nacht zu Sonnabend sind zwei Männer durch einen Nebeneingang in die Flüchtlingsunterkunft »Campus Unterstedt« in Rotenburg (Wümme) eingedrungen. Wie der NDR berichtet, haben sie in dem Gebäude, einer ehemaligen Lungenklinik, laut Polizei Fotos von den Schlafenden gemacht und rechtsextreme Parolen gerufen. Bei den Tätern handele es sich mutmaßlich um zwei amtsbekannte Anhänger der rechten Szene. Derzeit würden die Beweise geprüft, unter anderem ein Handyvideo, das einer der Bewohner gemacht hat. Die frühere Lungenklinik in Rotenburg wird erst seit Kurzem als Flüchtlingsunterkunft genutzt. Derzeit sind dort rund 100, vornehmlich männliche Asylsuchende aus Syrien, Irak und Iran untergebracht.

Unbekannte haben im oberbayerischen Soyen (Landkreis Rosenheim) eine noch unbewohnte Containeranlage für Flüchtlinge in Brand gesetzt. Die geplante Anlage sei zum Zeitpunkt des Brandanschlags leer gewesen, teilte die Polizei am Samstag mit. Der Schaden liegt nach ersten Schätzungen bei etwa 50.000 Euro. Das Feuer sei von selbst erloschen, mehrere Einheiten der Unterkunft seien aber stark verrußt. »Die Hintergründe seien noch unklar«, berichtet die Deutsche Presse-Agentur. Mitarbeiter der Gemeinde hatten den Brand am Samstag bemerkt. »Wir können den Tatzeitraum zwischen Freitagnachmittag und Samstagvormittag eingrenzen«, sagte ein Polizeisprecher. Es sei geplant gewesen, dass Asylbewerber in die Anlage ziehen.

Mit einem Hammer hat ein Mann die Fensterscheibe einer Flüchtlingsunterkunft in Berlin-Hohenschönhausen eingeschlagen - und dadurch auch einen Sicherheitsmann verletzt. Der 42 Jahre alte Mitarbeiter war am Freitagabend mit zwei Kollegen in einem Container am Eingang der Unterkunft, als fünf Männer das Grundstück betraten, wie die Polizei am Samstag mitteilte. Einer der Unbekannten zerstörte die Glasscheibe mit einem mitgebrachten Hammer, wodurch die Splitter durch den Container flogen und den Schutzmann an der Hand verletzten. Anschließend lief die Gruppe davon. »Die Hintergründe der Tat blieben vorerst unklar«, berichtet die Deutsche Presse-Agentur. »Ein fremdenfeindliches Motiv schloss die Polizei zunächst aus.«

Tausende Menschen haben in Stuttgart ein Zeichen gegen rechte Gewalt gesetzt. Mit bunten Flaggen und lauter Musik demonstrierten sie am Samstag gegen Fremdenfeindlichkeit. Unter dem Motto »halt ! zusammen« hatte ein Bündnis von 81 Verbänden und Organisationen zu der Kundgebung auf dem Schlossplatz eingeladen. Auf der Rednerliste stand auch Württembergs evangelischer Landesbischof Frank Otfried July. Die stellvertretende DGB-Landesvorsitzende Gabriele Frenzer-Wolf rief in die Menge: »Wir wollen keine Hassparolen hören und lesen! Wir wollen keine Heime brennen sehen!« Zugleich verurteilte sie die sexuellen Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht als »abscheuliche Taten«. Es gehöre Mut und Augenmaß dazu, auch über Kapazitätsgrenzen zu diskutieren, sagte Stefan Wolf, Vorstandsmitglied des Verbandes Arbeitgeber Baden-Württemberg. Aber das Schüren von Ängsten dürfe nicht zur Debatte gehören. Rassismus, Diskriminierung, Sexismus oder gar Gewalt hätten in der Gesellschaft keinen Platz.

Erneut hat es in Sachsen einen Angriff auf ein Büro der Linkspartei gegeben. Am frühen Samstagmorgen traf es die Linken-Landtagsabgeordnete Jana Pinka. Wie die Polizei mitteilte, schlugen zwei Unbekannte acht Scheiben ihres Bürgerbüros in Freiberg ein. Obwohl die Beamten von einem Zeugen alarmiert seien und sofort eine Fahndung eingeleitet worden sei, hätten die Täter unerkannt fliehen können. Zur Höhe des Sachschadens wurden keine Angaben gemacht. In Sachsen ist die Zahl der Angriffe auf Abgeordnetenbüros im vergangenen Jahr stark gestiegen. Besonders häufig trifft es Linke und AfD. In Anspielung auf den Film »Und täglich grüßt das Murmeltier« twitterte die Linke Sachsen am Samstag denn auch: »Bissl wie #GroundhogDay (Murmeltiertag).«

In Zschillichau bei Bautzen hat es einen Brandanschlag auf ein leerstehendes Heim für Asylbewerber gegeben. Das berichtet Radio Lausitz. Unbekannte hätten Tür und Stromkasten in Brand gesetzt, das Gebäude sei stark verrußt. Das Landratsamt hatte die Unterkunft wieder als Asylbewerberheim nutzen wollen, der Gemeinderat hatte sich aber gegen den Pachtantrag ausgesprochen. nd/Agenturen

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