Guatemalas Ex-Präsident Otto Pérez Molina steht vor Gericht

Ermittlungen der UN-Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala (CICIG) erleichtern den Korruptionsprozess gegen das Ex-Staatsoberhaupt

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 3 Min.
Guatemalas Ex-Präsident Otto Pérez Molina muss sich ab Montag vor Gericht verantworten. Der Vorwurf: Er soll an der Spitze eines Korruptionsringes erstanden haben.

Miguel Ángel Gálvez ist in Guatemala ein überaus respektierter Mann. Der 49-jährige Richter sitzt einem der drei höchsten Gerichte Guatemalas vor und kaum jemand in Guatemala zweifelt daran, dass Gálvez am Montag entscheiden wird, den Prozess gegen Ex-Präsident Otto Pérez Molina zu eröffnen. Die Anhörung, die eigentlich schon im Dezember hätte stattfinden sollen, gilt als letzte Etappe bevor es ernst wird für OPM, wie der Ex-Präsident und Ex-General in Guatemala der Kürze halber genannt wird.

Das von Gálvez geführte Gericht wirft dem 65-jährigen ehemaligen General und Chef des militärischen Geheimdienstes vor, der Kopf des Korruptionsrings »La Línea« zu sein. Die ersten Beweise gegen das Netzwerk, welches im großen Stil Produkte am Zoll vorbei ins Land schleuste, hatte die UN-Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala (CICIG) am 15. April 2015 vorgelegt und damit den Stein ins Rollen gebracht. Das führte unter anderem zur Aufhebung der Immunität des Präsidenten Anfang September 2015 und dessen anschließender Verhaftung. Ein Novum in der jüngeren Geschichte Guatemalas, in der Militärs und hohe Politiker meist als unantastbar galten.

»Die Justiz hat Fortschritte gemacht. Heute gibt es mehr Vertrauen und bessere Ermittlungen«, analysierte Richter Gálvez gegenüber der Tageszeitung »El Periódico«. Ein Faktor dabei ist die Arbeit der CICIG, die seit 2007 in Guatemala arbeitet und deren Auftrag es ist, gegen die organisierte Kriminalität vorzugehen und die extrem hohe Quote der nicht geahndeten Straftaten zu senken. Als die rund 170 Mitarbeiter der Kommission, darunter Ermittlungsexperten, Abhörtechniker, Ballistiker, Juristen und Polizeiexperten, ihre Arbeit auf Wunsch der guatemaltekischen Regierung begannen, wurden gerade zwei Prozent der Straftaten in Guatemala aufgeklärt - 98 Prozent blieben straffrei. »Heute werden immerhin dreißig Prozent der Straftaten aufgeklärt und geahndet«, erklärt der Menschenrechtsanwalt Edgar Pérez. »Die Justiz hat auf Initiative der CICIG neue Instrumente in die Hände gelegt bekommen, die heute greifen und spektakuläre Fälle ans Tageslicht brachten«, fährt er fort. Der Fall La Línea gehört dazu und es war nur möglich, das Netzwerk aufzudecken, weil die CICIG-Ermittler mehrere Verdächtige außerhalb der Politik systematisch abhörten und über sie bei den intellektuellen Drahtziehern Otto Pérez Molina und Vizepräsidentin Roxana Baldetti landeten. 90 000 abgehörte Telefonsequenzen und 30 000 Datensätze haben die Ermittler zusammengetragen und wichtigstes Instrument dabei war das hochmoderne Abhörzentrum, welches die CICIG gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft betreibt. Auch die Einrichtung der derzeit drei Sondergerichtshöfe Tribunales de Mayor Riesgo, wo besonders komplexe, im öffentlichen Interesse stehende Fälle verhandelt werden, geht auf die Initiative der CICIG zurück. Der Kommission steht der ehemalige kolumbianische Richter Iván Velásquez Gómez vor, der mehrfach betont hat, dass es nie darum ging, den Präsidenten zu stürzen, sondern die Gesetze durchzusetzen. In Guatemala wird der zurückhaltend auftretende Mann häufig mit Ovationen begrüßt und als »Torero gegen die Korruption« gefeiert. Dagegen verwehrt sich der Kolumbianer zwar, aber gemeinsam mit der Generalstaatsanwältin Thelma Aldana steht er für die Erneuerung der guatemaltekischen Justiz.

Damit hat Otto Pérez Molina, der als Ex-General gewohnt war, Befehle zu geben, nicht gerechnet. Er hat die Justiz unterschätzt, denn anders ist das ungläubige Staunen kaum zu deuten, mit dem Pérez Molina auf die Entscheidung von Richter Gálvez Anfang September reagierte als der entschied, ihn wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft zu nehmen. Die wird der Ex-Präsident bis zum Prozessende kaum wieder verlassen, denn die Beweise, die der Staatsanwaltschaft vorliegen, sind erdrückend.

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