Wunderland für Siemens & Co?

Sehr gute deutsch-iranische Beziehungen reichen bis in die 1930er Jahre zurück

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Iran-Sanktionen sind beendet - der Optimismus in der deutschen Wirtschaft ist groß. Schließlich gehört Persien traditionell zu den besten Kunden.

Noch ist das Iran-Geschäft der deutschen Wirtschaft nur halb so groß wie der Export nach Griechenland. Doch die Weichen sind bereits auf Grün gestellt. 485 Euro kostet der Schnupperkurs »Redewendungen und Kommunikationsformen im Umgang mit iranischen Geschäftspartnern«, den der 1934 gegründete Nah- und Mittelost-Verein für Manager anbietet. Nicht eingeschlossen sind die Kosten für Hotel und ein persisches Dinner.

Aufbruchstimmung herrscht auch bei offiziellen Stellen. Er sehe »die Möglichkeit, ein neues Kapitel in den deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen aufzuschlagen«, sagte Vizekanzler Sigmar Gabriel. Die seinem Ministerium unterstellte Außenwirtschaftsgesellschaft Germany Trade and Invest (GTAI) rechnet schon für 2016 mit einem rasanten Wachstum im schiitisch geprägten Golfstaat und »einem starken Anstieg« der deutschen Ausfuhren. Die Marketingorganisation GTAI sieht für alle wichtigen Branchen prima Chancen. Das Embargo habe tiefe Spuren in der Wirtschaft Persiens hinterlassen - nun werde der »hohe Nachholbedarf den Maschinenmarkt stark beleben«: Irans Kapazitäten der Petrochemie sollen bis 2021 verdoppelt werden; hohe Investitionen in Mobilfunk und Festnetz-Breitband seien erforderlich, und die Medizintechnik habe einen hohen Importbedarf - Deutschland ist bereits führender Lieferant.

Von einer Belebung der Konsumnachfrage der über 70 Millionen Verbraucher dürften vor allem US- und asiatische Hersteller wie Apple, Coca-Cola oder LG profitieren. Aber VW führt nach Agenturmeldungen schon erste Gespräche mit politischen Stellen. Auch Irans Kfz-Industrie will in Kooperation mit westlichen Partnern ihre Anlagen modernisieren.

Die Achse Berlin-Teheran hat Tradition. Hitler-Deutschland bezog, abgewickelt über die heutige Commerzbank, große Mengen Erdöl von der Deutschen Benzin und Petroleum GmbH in Iran. Noch vor vier Jahrzehnten war das Schah-Regime eines der wichtigsten Exportländer der deutschen Wirtschaft. Bei den Hermes-Deckungen, mit denen der deutsche Steuerzahler Ausfuhrgeschäfte versichert, lag Iran zeitweise auf Rang vier. In den 70er Jahren begann die Siemens-Tochter Kraftwerks-Union das Atomkraftwerk Buschehr zu bauen, das später mit Hilfe Russlands, das wie die Bundesrepublik erhebliche wirtschaftliche Interessen in dem Golfstaat hat, mit Brennstäben ausgestattet wurde. Bezahlt wurden die Importe aus Deutschland mit den Petro-Dollars, die Iran vor allem in Asien verdiente. Die Bundesrepublik bezog selbst in Spitzenzeiten weniger als ein Prozent seiner Ölimporte aus Persien.

Siemens ist eines der ersten Großunternehmen, die mit dem absehbaren Ende der Sanktionen bereits umfangreiche Geschäfte mit Teheran angebahnt haben. Der Elektrokonzern und die iranische Staatsbahn unterschrieben kürzlich eine Absichtserklärung. Dabei geht es um die Elektrifizierung der 500 Kilometer langen Strecke von der Hauptstadt Teheran nach Maschar, den Bau einer Hochgeschwindigkeitsstrecke nach Isfahan und um die Lieferung von 500 Passagierzügen. Überhaupt stufen Experten das weitere Potenzial bei der Modernisierung der darniederliegenden Verkehrsinfrastruktur als gewaltig ein. Irans Verkehrsministerium hat angekündigt, das Streckennetz der Bahn von derzeit 10 000 Kilometer auf 25 000 Kilometer ausbauen zu wollen.

Die deutschen Geldhäuser, die ebenfalls auf jahrzehntelange intensive Geschäftsbeziehungen mit Teheran zurückblicken können, dürften nach Einschätzung des Privatbankenverbandes BdB zunächst Vorsicht walten lassen. Die meisten Institute würden Iran-Geschäfte erst wieder aufnehmen, wenn in den USA Klarheit darüber herrsche, welche Transaktionen genau wieder erlaubt seien.

Die deutschen Branchenführer hatten sich gerade erst die Finger verbrannt: Die Commerzbank zahlte im vergangenen Jahr wegen Verstößen gegen frühere US-Sanktionen gegen Iran 1,45 Milliarden Dollar Strafe. Die Deutsche Bank musste wegen ähnlicher Verstöße knapp 260 Millionen Dollar berappen und hat sich dabei noch längst nicht mit allen ermittelnden US-Behörden geeinigt.

Doch auch der neu eröffnete iranische Basar ist kein Wunderland. Auf bis zu 10 Milliarden Euro könnten die deutschen Exporte in den kommenden fünf Jahren anwachsen, schätzt der Deutsche- Industrie- und Handelskammertag. Das wäre dann gerade mal ein Fünftel der Ausfuhren, die jeweils in unsere Nachbarländer Schweiz oder Polen fließen.

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