Schaulaufen vor Alpenkulisse

Weltwirtschaftsforum tagt wieder / ILO warnt: Globale Arbeitslosigkeit nimmt zu

Wachstumsschwäche, steigende Arbeitslosigkeit, Massenflucht, Digitalisierung - die Wirtschaftselite hat in Davos einiges zu bereden.

Nach Berechnungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ist die Zahl der Arbeitslosen weltweit im vergangenen Jahr auf 197,1 Millionen angestiegen. Das waren rund eine Million Menschen mehr als im Jahr davor und 27 Millionen mehr als vor der Finanzkrise 2007, wie es im »World Employment and Social Outlook 2016« heißt, den die UN-Organisation mit Sitz in Genf am Dienstag veröffentlichte.

»Die deutliche konjunkturelle Abkühlung in Schwellenländern und der starke Rückgang der Rohstoffpreise haben dramatische Auswirkungen auf die Welt der Arbeit«, erklärte ILO-Generaldirektor Guy Ryder. »Viele arbeitende Frauen und Männer in Schwellen- und Entwicklungsländern müssen geringfügige Beschäftigung annehmen. Wir müssen dringend Maßnahmen zur Schaffung menschenwürdiger Arbeit ergreifen, ansonsten besteht die Gefahr erhöhter sozialer Spannungen und Unruhen.«

Die ILO macht vor allem das schwache Wachstum der Weltwirtschaft für die Entwicklung verantwortlich. 2015 betrug es nach vorläufigen Zahlen 3,1 Prozent, ein halbes Prozent weniger als zuvor prognostiziert. Auch 2016 und 2017 dürften es nur rund drei Prozent sein, deutlich weniger als vor der Finanzkrise. Besonders schwach sind die Wachstumsraten beim globalen Handel, was darauf hindeutet, dass der Globalisierungsboom längst vorüber ist. Die Entwicklung wird negative Folgen für den Arbeitsmarkt haben: Ohne Gegenmaßnahmen dürfte die Zahl der Arbeitslosen bis 2017 um 3,4 Millionen ansteigen, vor allem im globalen Süden, wie die ILO schätzt.

Die offiziell registrierte Arbeitslosigkeit, die statistische Probleme aufwirft, ist aber nur ein Teil der Probleme auf dem Arbeitsmarkt. »Geringe Jobqualität bleibt ein drängendes Problem weltweit«, schreibt die UN-Organisation in ihrer Studie. »Verwundbare Beschäftigung«, wie die ILO die zahlreichen Formen prekärer Jobs umschreibt, nimmt kaum noch ab. Noch immer sind rund 1,5 Milliarden Menschen darauf angewiesen, 46 Prozent der insgesamt Beschäftigten. In Südasien und Subsahara-Afrika beträgt die Quote sogar 70 Prozent.

Die ILO stellte ihre Studie am Vorabend des Beginns der 46. Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums vor. Bis Sonntag wollen rund 2500 Spitzenpolitiker, Topmanager sowie Wissenschaftler aus mehr als 100 Ländern im noblen Schweizer Alpenkurort Davos wieder über weltwirtschaftliche Fragen beraten. Steigende Arbeitslosigkeit wird bestenfalls am Rande Thema sein. Doch trotz des abstrakten Überthemas »Die Meisterung der vierten industriellen Revolution« werden Wachstumsprobleme bei Podiumsdiskussionen, informellen Kamingesprächen und nächtlichen Cocktailpartys eine Rolle spielen. Zumal die Unternehmenschefs diesbezüglich durchaus verschnupft sind. Laut einer in Davos veröffentlichten Umfrage der Beratungsgesellschaft PwC hat sich die Stimmung unter 750 Top-Managern in den vergangenen zwölf Monaten verschlechtert. Nur noch gut ein Viertel der befragten Unternehmenslenker ist optimistisch für die globale Konjunktur, vor einem Jahr waren es noch 37 Prozent. Viele befürchten angesichts der wachsenden politischen Konflikte, dass sich die Staaten künftig wieder stärker abschotten werden.

Als wahrscheinlichstes Risiko sehen die Manager eine weitere Zunahme der Massenflucht. »Durch Ereignisse wie die Flüchtlingskrise und Terroranschläge in Europa ist die globale politische Instabilität so hoch wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr«, sagt John Drzik vom Industrieversicherungsmakler Marsh. Das erschwere Entscheidungen über längerfristige Investitionen.

Derweil haben mehrere große Firmen eine Initiative gegründet, um die Flüchtlingskrise weltweit zu mildern. Zu den Gründungsmitgliedern zählen der Unterkunftsvermittler Airbnb, die Ikea-Stiftung, das Berufsnetzwerk LinkedIn, MasterCard und UPS, wie die Organisation namens Tent (Zelt) am Dienstag in Davos mitteilte. Die Initiative will nach eigenen Angaben dafür sorgen, dass »die Firmenchefs der Welt« Geld oder Dienstleistungen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise zur Verfügung stellen oder Jobs für die Migranten schaffen. Initiiert wurde das Netzwerk von Hamdi Ulukaya, dem Gründer der US-Joghurt-Firma Chobani.

Dem WEF selbst gehören 1000 der weltgrößten Unternehmen an. Das Jahrestreffen war früher von größeren Protestaktionen der globalisierungskritischen Bewegung begleitet. Auch wenn diese Geschichte sind, sind die Sicherheitsvorkehrungen immens. Rund 1000 Polizisten und 3000 Soldaten sind im Einsatz, 2000 weitere in Reserve. Kampfjets sichern den gesperrten Luftraum, am Boden Flugabwehrwaffen, Straßensperren und Sicherheitsschleusen. Mit Agenturen

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