Kunstgriff der Humboldt-Universität

Brandenburgische Wissenschaftsministerin zur neuen Hochschulpräsidentin gewählt

Mit überraschend deutlicher Mehrheit kürte das Konzil der Humboldt-Universität Sabine Kunst am Dienstag als neue HU-Präsidentin.

Zehn Minuten lang stauen sich 57 Studenten, Professoren und andere Mitarbeiter der Berliner Humboldt-Universität (HU) vor den beiden Wahlkabinen. Dann, am Dienstag um 9.13 Uhr, hat auch der letzte seine Stimme abgegeben. Das Konzil der Hochschule hat entschieden, ob Brandenburgs Kultur- und Wissenschaftsministerin Sabine Kunst (SPD) die neue Universitätspräsidentin wird. Um 9.17 Uhr ist das Ergebnis ausgezählt und wird verkündet: zwei ungültige und sechs Nein-Stimmen und 49 Ja-Stimmen.

Sabine Kunst, die erst Sekunden zuvor in den Saal im Hauptgebäude Unter den Linden hineinschlüpfte, nimmt ihre Wahl für fünf Jahre an und bedankt sich strahlend für die »überwältigende« Zustimmung, die so nicht abzusehen gewesen sei. Zum Sommersemester im April könne sie anfangen, sagt Kunst. Bis dahin sind noch vertragliche Detailfragen zu klären. Im Moment weiß die Ministerin nach eigener Darstellung noch nicht einmal, ob sie als Universitätspräsidentin mehr oder weniger Geld verdienen wird. Sie hat sich nicht selbst um den neuen Job bemüht, sie ist gebeten worden, nachdem ein anderer Kandidat kurzfristig absagte.

Sabine Kunst stammt aus Schleswig-Holstein. Sie studierte von 1972 bis 1982 in Hannover Biologie, Politologie und Wasserwirtschaft. Sie ist Prof. Dr. Dr., da sie erst im Ingenieurwesen und dann noch in den Politikwissenschaften promovierte. Von 2007 bis 2011 war Kunst Präsidentin der Universität Potsdam. Dann holte sie der damalige brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) im Zuge einer Kabinettsumbildung als Parteilose in seine rot-rote Regierung. Das war eine dicke Überraschung, galt sie doch bei linksalternativen Studenten als neoliberale Reformerin. Die LINKE war irritiert, hielt sich aber mit öffentlicher Kritik zurück, da es Usus ist, Personalentscheidungen des Koalitionspartners klaglos zu akzeptieren.

Sabine Kunst rechtfertigte das in sie gesetzte Vertrauen, indem sie zielstrebig - ohne mit der Wimper zu zucken - die umstrittene Zusammenlegung der Technischen Universität Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz durchsetzte. Ende 2014 trat sie in die SPD ein. Politisch ist die 61-Jährige schwer in eins der Parteilager einzuordnen. Eine linke Sozialdemokratin ist sie gewiss nicht. Aber sie fiel als Ministerin andererseits nie mit neoliberalen Forderungen und Sprüchen auf.

Dennoch sind die Studentenvertreter der HU skeptisch. Der ReferentInnenrat (RefRat) traf sich mit den Allgemeinen Studierendenausschuss der Universität Potsdam und bekam erzählt, wie Sabine Kunst dort agiert hatte. Dabei ist auch der Begriff neoliberal gefallen.

Die Vermutung, dass in der geheimen Wahl die Gegenstimmen aus den Reihen der Studenten gekommen sind, sei bestimmt nicht falsch, verrät eine Studentenvertreterin schmunzelnd. Sehr durchsetzungsstark sei Sabine Kunst sicherlich, aber was sie vorhabe, sei gegenwärtig schwer zu sagen. Das müsse man abwarten. »Hoffentlich leidet die Universität nicht darunter.«

Kunst selbst benennt als eines ihrer wichtigsten Ziele: »Möglichst viele sollen ihr Studium erfolgreich abschließen.« Die neue Präsidentin möchte mit den Studierenden reden, und diese wollen das Gesprächsangebot annehmen. »Wir möchten uns auf Augenhöhe begegnen«, betont Studentenvertreterin Olenka Bordo Benavides. »Es war immer klar, dass es Kritik an Frau Kunst gibt, aber bei den anderen Statusgruppen ging das durch«, bemerkt Studentenvertreter Jakob Hoffmann.

Tatsächlich zeigen sich die Professoren von ihrer Kollegin angetan. So meint HU-Präsident Jan-Hendrik Olbertz über seine Nachfolgerin, sie sei ein »vortreffliche Wahl«. Professor Rolf Emmermann schwärmt, sie sei eine »vielseitige Wissenschaftlerin« und »ausgewiesene Hochschulmanagerin« mit einer großen politischen Erfahrung. Professor Michael Seadle glaubt, dass die als Wissenschaftsministerin erworbenen Kompetenzen beim Kampf um mehr staatliche Mittel für die HU nützlich sein werden.

Ob die HU tatsächlich unterfinanziert ist, das vermag Kunst noch nicht »präzise« einzuschätzen. Nach den ihr bekannten Zahlen gebe es aber eine Lücke zu anderen Universitäten, sagt sie. Die Skulpturen auf dem Dach des Hauptgebäudes der HU, die vom alten Potsdamer Stadtschloss stammen, will Kunst als Universitätspräsidentin nicht für den als Schlosskopie errichteten Potsdamer Landtag hergeben, wie es zuweilen gefordert wird, und als Ministerin will sie die Figuren nicht für das Landtagsschloss haben.

Wer neue Kulturministerin wird, ist anscheinend noch offen. Die Landtagsabgeordnete Martina Münch wurde spekulativ genannt und als mögliche Variante von der SPD bestätigt. Sie hatte den Posten bereits in den Jahren 2009 bis 2011.

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