Keine schnelle Hilfe für Eltern

Sachsen-Anhalts Landtag kann sich nicht mehr auf Vorstoß zur Kinderbetreuung einigen

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Prinzip sind sich die Fraktionen in Sachsen-Anhalt einig, dass Bundesmittel zur Entlastung der Eltern in der Kinderbetreuung verwendet werden sollen. Vor der Wahl aber kommt ein Gesetz nicht zustande.

Fast scheint es, als könnten sich die Abgeordneten des Landtags in Sachsen-Anhalt nicht von ihrer Arbeit losreißen. Kurz vor den letzten beiden Plenarsitzungen am Ende dieser Woche trafen sich die Parlamentarier sogar zu einer Sondersitzung. Tatsächlich hatte diese aber nicht sentimentale, sondern formale Gründe: LINKE und Grüne wollen kurz vor Ende der Wahlperiode noch ein Gesetz durchsetzen, um Eltern bei den Kosten für die Kinderbetreuung zu entlasten. Weil aber zwischen Einbringung und Beschluss eines Gesetzes mindestens drei Tage liegen müssen, wurde eine zusätzliche Sitzung anberaumt.

Das Gesetz, genauer: eine Novelle des Gesetzes zur Kinderbetreuung, sieht vor, den Kommunen im aktuellen Jahr 9,1 Millionen Euro zu übertragen, die der Bund nach dem Scheitern des Betreuungsgeldes an die Länder gibt. Diese »zweckgebundene Zuweisung« soll helfen, die Eltern bei den Kosten in der Kinderbetreuung zu entlasten. Derzeit geben das Land und die Landkreise dafür feste Zuschüsse; die Gemeinden und die Eltern teilen sich die verbleibende Summe je zur Hälfte. Ein Gemisch verschiedener Gründe führt dazu, dass die Elternbeiträge in vielen Kommunen zur Zeit explodieren. Die Kostensteigerungen hätten ein Ausmaß erreicht, das »sozial nicht mehr verträglich ist«, sagte Wulf Gallert, der Chef der Linksfraktion.

Dass Handlungsbedarf besteht, ist zwischen den Fraktionen im Prinzip nicht umstritten. Schon im Oktober hatte der Landtag fraktionsübergreifend die Regierung aufgefordert, die Mittel aus dem Betreuungsgeld in die Kinderbetreuung zu stecken. Im Dezember wurde das Parlament noch deutlicher und beschloss einstimmig, mit dem Geld sollten die Eltern entlastet werden. Die Regierung aus CDU und SPD unternahm allerdings nichts, weil eine Änderung des Gesetzes samt öffentlicher Anhörung vor Ende der Wahlperiode nicht mehr zu schaffen gewesen wäre. Und auch von den Koalitionsfraktionen habe es seither »keinerlei Aktivitäten« gegeben, rügte die Grüne Cornelia Lüddemann.

Grüne und LINKE sehen die Notwendigkeit zum schnellen Handeln: Werde mit einer Gesetzesänderung gewartet, bis sich der nächste Landtag konstituiert habe, dürften weitere Kommunen höheren Beiträge beschlossen haben, sagt Gallert. Weil als Grund dafür deren unzureichende Finanzausstattung gilt, wolle man den Städten und Gemeinden mit Hilfe der gut neun Millionen Euro »Luft verschaffen«, sagte Gallert. Er bezifferte die Entlastung auf rund 100 Euro pro Jahr je betreutem Kind.

Koalitionsvertreter gehen aber von einer geringeren Summe aus: Er rechne mit fünf Euro pro Monat, sagte Sozialminister Norbert Bischoff (SPD). Die SPD-Fraktionschefin Katrin Budde sprach gar von nur 2,70 Euro und sagte, angesichts von Elternbeiträgen von teils mehreren hundert Euro sei das »Beschiss an den Eltern«. CDU und SPD fanden auch andere Gründe, um dem Oppositionsvorstoß nicht zustimmen zu müssen. Der »Finanzierungsweg endet bei den Kommunen«, sagte der CDU-Mann Eduard Jantos; der Landtag könne diese nicht zwingen, das Geld tatsächlich für den beabsichtigten Zweck einzusetzen. Der CDU-Fraktionschef André Schröder verwies derweil auf eine Rücklage, die im Finanzausschuss beschlossen wurde; das Geld soll Mitte 2016 ausgezahlt und rückwirkend zur Entlastung verwendet werden. »Mathematisch«, sagt Jantos, sei es gleich, wann das Geld fließe. Generell strebt die CDU an, die Eltern zu entlasten, indem die Beiträge für das letzte Kitajahr entfallen.

Die SPD wiederum lehnt den Vorstoß ab, weil das Gesetz gründlicher zu überarbeiten sei; dies müsse erste Aufgabe des neu gewählten Landtags sein, sagte Fraktionschefin Budde. Die LINKE sieht das ebenso, so Gallert. Der aktuelle Antrag ziele daher bewusst nur auf 2016 und lasse für später alle Möglichkeiten offen. Die Koalition macht dennoch klar, dass sie den Vorstoß ablehnt - und stellt sich laut Gallert damit in Widerspruch zu Beschlüssen, die sie vor wenigen Wochen mittrug. Der Grund liegt auf der Hand: Sechs Wochen vor der Landtagswahl gibt es für politische Konkurrenten keine Zugeständnisse mehr.

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