nd-aktuell.de / 29.01.2016 / Kultur / Seite 15

Mit Durchfall

Turbostaat & Wallumrød

Thomas Blum

Recht minimalistisch und beinahe freundlich grüßend hebt das Album an. Ein paar Dur-Akkorde, auf dem Flügel gespielt, werden - geringfügig variiert, versteht sich - minutenlang wiederholt, mit hübschen Stillepausen dazwischen, während gleichzeitig nebenher ein missmutig drohendes, Angelo-Badalamenti-haftes Kühlschrankbrummen unnachgiebig anzuzeigen versucht, dass der freundlich anbrechende Tag womöglich nicht so prickelnd werden wird wie erhofft. Gegen Ende dieses ersten von insgesamt vier längeren Musikstücken bleibt jedenfalls das Brummen.

Der norwegische Pianist und Komponist Christian Wallumrød, ursprünglich vom Jazz und der Kirchenmusik herkommend, hat, so viel weiß man, schon mehrere Platten beim gelackten Yoga- und Entspannungsjazzlabel ECM herausgebracht. Doch macht er nebenher, mit dem hier aufspielenden Trondheim Jazz Orchestra, in dem er mit von der Partie ist, anscheinend auch eine Art windschief in der Gegend hängende und mehrfach verknotete Topfschlagmusik, die ein wenig sperriger und ruheloser daherkommt als der oberflächenveredelte und keimfrei gewienerte ECM-Kram. So wie diese Klänge hier, die zustandekommen, indem man die Instrumente erst ein wenig meditativ-verdöste Hängemattenmusik machen lässt und sie dann, in der zweiten Hälfte der CD, gegen den Strich spielt, hier ein bisschen schaben und kratzen, da ein bisschen sägen und hämmern. Das jedenfalls scheint bei diesem freien Kollektiv wechselnder Musikerinnen und Musiker das Konzept zu sein.

Was ganz und gar anderes, mit seinen Breitwandgitarren musikalisch eher Konventionelles, kommt erwartungsgemäß hingegen von der norddeutschen Punkrockgruppe Turbostaat, der es zwar auf dem neuen Album wie üblich gelingt, ihre Texte ein wenig zu verschwurbeln und ins vermeintlich vieldeutig Schillernde lappen zu lassen, die aber dennoch im Auftaktstück (in dem einerseits von Menschen die Rede ist, die »der sichere Tod in irgendeinem Krieg« erwartet, und andererseits von den »Gesichtern der Verfolger, verzerrt und rot vor Zorn«) ein nur notdürftig verschlüsseltes politisches Statement abgibt. Auch in anderen Liedtexten finden sich schwer misszuverstehende Hinweise, : »Im Dunkeln liegt die Oper / Die Stadt doch viel zu nett / Für die hässlichsten Gedanken in euch / Also richtet eure Blicke / Im Irrgang geradeaus / Und der gute Bürgermeister verrät / Diese Stadt hat heimlich Durchfall / Und der sieht fast aus wie du.«

Es ist eine Art Konzeptalbum geworden, auf dem es vor allem um Krieg, Flucht und den Tod geht, aber auch um den derzeit allerorten sein hässliches Haupt erhebenden deutschen Ungeist.

Trondheim Jazz Orchestra / Christian Wallumrød: »Untitled Arpeggios and Pulses« (Hubromusic)

Turbostaat: »Abalonia« (Pias Germany / Rough Trade)