Pazifische Revierkämpfe

Stefan Liebich über den Territorialstreit im Südchinesischen Meer, bei dem es um mehr als ein paar Inseln geht

  • Stefan Liebich
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Schlagzeilen allein der letzten Monate wecken große Besorgnis. »Südchinesisches Meer: USA verlegen Hightech-Spionagejet nach Singapur«; »Chinesisches U-Boot verfolgt US-Flugzeugträger«; »USA schicken Kriegsschiff ins Südchinesische Meer«; »Inselstreit: USA und China verschärfen den Ton«. Ein gewaltiger Sturm braut sich da vor der Küste Hongkongs zusammen.

Diese aktuelle Zuspitzung begann vor sieben Jahren. Die UN-Kommission zur Begrenzung des Festlandsockels (CLCS) hatte alle Staaten aufgefordert, Unterlagen über ihre Kontinentalsockelgebiete im Meer einzureichen - bis zum Mai 2009. Das Ultimatum wirkte wie ein Stich ins Wespennest.

In einer Verbalnote formulierte die Volksrepublik China konkrete Ansprüche auf die menschenleeren Paracel- und Spratly-Inseln sowie das Scarborouh-Riff im Südchinesischen Meer. Die Anrainerstaaten Vietnam, Malaysia und die Philippinen proklamierten umgehend ihrerseits einen Zugriff auf die einsamen Eilande. Begehren wurde auch in Taiwan formuliert und zum kleinen Teil vom Sultanat Brunei. Denn die Winzigkeit der im Meer verloren wirkenden Riffe, Atolle und Sandbänke täuscht niemanden darüber hinweg, dass ihre Inbesitznahme eine besondere Machtstellung ermöglicht.

Wer die Hoheit über sie hat, der hat die wirtschaftliche Hoheit über 90 Prozent des Südchinesischen Meeres. Und diese Kontrolle wäre in mehrfacher Hinsicht vielversprechend. Zum einen sind es die vermuteten Bodenschätze unter dem Meer. Der chinesische Ölkonzern CNOOC erwartet dort Erdölvorkommen von etwa 125 Milliarden Barrel. Im Südchinesischen Meer verläuft eine der zentralen Schifffahrtsrouten in Asien. Über 60 000 Schiffe durchqueren jährlich das Gewässer, mit Waren im Wert von ca. 5,3 Billionen US-Dollar an Bord. Das entspricht etwa einem Drittel des gesamten Welthandels.

Außerdem ist das Südchinesische Meer fischreich. Es sind darum nicht nur die im Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) organisierten Anrainerstaaten, die um die Hoheitsrechte die Klingen kreuzen, sondern auch die USA fühlen sich hier einmal mehr zuständig.

China hat nach der Proklamation der Hoheitsrechte bei der CLCS Millionen Kubikmeter Sand und Schlick vom Meeresgrund heraufgepumpt und das Material über Riffe verteilt, bis schließlich eine richtige Insel mit Landebahn und Tiefseehafen entstanden ist. Dort werden dauerhaft besetzte Stütz- und Beobachtungspunkte etabliert.

Wenn auch Art, Umfang und vor allem die Geschwindigkeit der Landnahme durch China auf massive Kritik stoßen, so ist das Verhalten keineswegs ungewöhnlich. Sowohl die Philippinen als auch Malaysia unterhalten ständige Außenposten auf »ihren« Inseln und schon in den 1970er Jahren hatte Vietnam dort Landnahmen in Größenordnung getätigt und sie militärisch abgesichert.

Pikant ist, dass sich vor allem die beiden von einer Kommunistischen Partei geführten Länder China und Vietnam in dem Konflikt besonders konfrontativ gegenüberstehen. Und ausgerechnet die USA dienen sich hierbei dem einstigen Kriegsgegner Vietnam als Partner an. Das wird auch noch von der vietnamesischen Führung goutiert. Hier die Schablonen des Kalten Krieges anlegen zu wollen, funktioniert einfach nicht mehr.

Das internationale Ringen geht derweil weiter. Die VR China erlitt eine Niederlage mit einem nicht verbindlichen Spruch des internationalen Ständigen Schiedshofes in Den Haag in der Auseinandersetzung mit den Philippinen. Und US-Außenminister John Kerry scheiterte damit, bei den ASEAN-Staaten eine geeinte rigide antichinesische Position in dem Territorialstreit zu erwirken. Nicht einmal zu einer Rüge hatte es gereicht.

China versucht nun in Konsultationen mit den konkurrierenden Anrainerstaaten eine Lösung im Dialog herbeizuführen und betont sein Interesse an einer Vermeidung von Eskalation. Die USA müssen akzeptieren, dass anstelle ihrer bisherigen Rolle einer hegemonialen »Schutzmacht« in Fernost im 21. Jahrhundert multilaterale Lösungen gefragt sind. Die nahezu im Wochentakt vermeldeten gegenseitigen militärischen Provokationen in der Region bringen den Konflikt jedenfalls keiner Lösung näher.

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