Der Unterwäschebär

Moskauer Zoo verklagt PR-Firma wegen erotischem Werbe-Dreh

  • Thomas Körbel, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.

Sie wirken vergnügt, die barbusige Blondine und der flauschige Waschbär Thomas, wie sie da im Bett herumtollen. Das Pelztier zerrt am BH der russischen Schauspielerin. Mit Müh und Not verteidigt die blonde Schönheit ihre Unterwäsche, lässt sich auf den Rücken fallen - und gibt schließlich lachend auf.

Was sich anhört wie ein billiger Softporno, ist der Dreh zu einem Werbespot für Bettwäsche, aufgenommen von einer russischen PR-Firma. Die Szene kursiert im Internet. Doch das Handy-Video hat den Besitzern von Waschbär Thomas, einem Moskauer Streichelzoo, gar nicht gefallen. Nun hat der Zoo die PR-Agentur verklagt.

»Wir wollen, dass Aufnahmen von Waschbären und anderen Tieren, die erotische Szenen enthalten, als Verstoß gegen Tierrechte anerkannt werden«, sagt Zoo-Sprecher Viktor Kirjuchin. Zudem verlangt der Park, dass sämtliche Bilder vom Dreh aus dem Internet gelöscht werden.

Ursprünglich hatte der Tierpark den putzigen Waschbär mit der typischen schwarz-weißen Stupsnase für den Werbeclip ausgeliehen. Unentgeltlich, wie Kirjuchin sagt. »Wir wollen keine finanzielle Entschädigung, sondern dass alles aus dem Netz genommen wird.« Versuche, den Streit friedlich beizulegen, habe die PR-Agentur Art-MSK ignoriert, betont er.

Waleri Bogatow von Art-MSK findet das absurd. »Wir sind völlig überrascht«, sagt er. Als sich der Zoo an sie gewandt habe, hätten sie es für einen Witz gehalten. Bogatow erwägt nun eine Gegenklage. »Wir werden eine Entschädigung für den BH der Schauspielerin verlangen, den der Waschbär beim Dreh zernagt hat.« Der Betrag, um den es ginge, klingt jedoch wie eine Lappalie: umgerechnet etwa 80 Euro. Bislang habe die Firma ihrem Kunden den Clip aber nicht übergeben, heißt es.

Russische Medien wittern in dem Streit um den Tier-Dreh eine gezielte Marketingaktion, von der durchaus beide Seiten profitieren könnten. Vor allem das Argument des Zoos, der Ruf der Waschbären werde geschädigt und mit Erotik verknüpft, löst Kopfschütteln aus.

»Mir erscheint das ziemlich aus den Fingern gesogen«, sagt Marketingexperte Roman Saripow dem staatlichen TV-Sender Westi. Sein Kollege Nikolai Arno sagt dem Sender: »Der Waschbär hatte Spaß, die Frau wurde fotografiert, und so wurde der Virus in die Welt gesetzt.«

Beispiele für erfolgreiche PR-Aktionen von russischen Zoos - gewollt oder ungewollt - gab es zuletzt in Wladiwostok. Die zur schnulzigen Romanze aufgebauschte »Freundschaft« von der Ziege Timur und dem Tiger Amur hatte 2016 über Monate die russische Presse beschäftigt.

Der stoische Tiger, der die Ziege nicht fressen wollte und mit ihr in trauter Zweisamkeit das Gehege teilte. Und die freche Ziege, die die Raubkatze schließlich doch so nervte, dass sie ihr einen kräftigen Tatzenhieb verpasste. Inzwischen leben beide wieder getrennt in ihrem Zoo rund 9000 Kilometer östlich von Moskau. Der Tierpark ist dadurch russlandweit bekannt geworden, von einer Marketingaktion will die Leitung aber nichts wissen.

Auch Zoosprecher Kirjuchin lehnt solche Vorwürfe ab. »Das sehe ich anders. Unsere Ansprüche sind völlig berechtigt«, meint er. Bogatow von Art-MSK will sich an Spekulationen nicht beteiligen. Im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur sagt er aber: »Wir glauben, dass uns die Situation sogar nutzt. Viele reden über uns.«

All das dürfte Waschbär Thomas kaum interessieren. Mit großen Knopfaugen schaut er die Zoobesucher an, krabbelt in seinem Gehege herum. »Er lässt sich gerne von den Besuchern in den Arm nehmen, und er ist gefräßig wie immer«, sagt Kirjuchin. dpa/nd

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