Abschottung ist keine Lösung

Auf der Hannover Messe spielt der »Kapitalriese« China eine Sonderrolle

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Polens Ministerpräsidentin Beata Szydlo eröffnete am Sonntag zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel die Hannover Messe. Deutschlands Außenhandel mit Polen ist immerhin doppelt so groß wie der mit Russland. Außerdem ist unser unmittelbarer östlicher Nachbar in diesem Jahr das Partnerland der nach eigenen Angaben weltgrößten Leistungsschau der Industrie. Erwartet werden mehr als 6500 Aussteller aus gut 70 Ländern sowie über 200 000 Besucher. Zwei von drei Ausstellern stammen aus dem Ausland, viele aus den USA. Doch wieder einmal steht im Mittelpunkt des Interesses nur ein Land: China. Erstmals liegt das asiatische Riesenreich hinter dem Gastgeber auf dem zweiten Platz - sowohl bei Ausstellerzahlen als auch bei Ausstellungsfläche.

Die Hannover Messe gilt als Brücke zur Weltwirtschaft. Auch was Investitionen betrifft. Insgesamt machen die chinesischen Direktinvestitionen im Ausland derzeit umgerechnet rund 150 Milliarden Euro aus. »Tendenz steigend«, sagt Christian Dreger, Forschungsdirektor am DIW Berlin. Insbesondere seit der Finanzkrise haben die Direktinvestitionen ganz erheblich zugenommen. China ist inzwischen hinter den USA zum zweitgrößten Kapitalgeber der Weltwirtschaft aufgestiegen. Dies entspricht einem Anteil von rund zehn Prozent der weltweiten Direktinvestitionen ins Ausland (FDI). Etwas über 40 Prozent der chinesischen FDI in entwickelte Länder fließen nach Europa, davon geht der Großteil nach Deutschland.

EU-Länder sind besonders interessant. Durch Investition in einem Mitgliedsland können sich chinesische Unternehmen einen vollständigen Zugang zum EU-Binnenmarkt mit 500 Millionen Konsumenten verschaffen. Vom chinesischen Kapital profitieren vor allem die hoch verschuldeten EU-Länder, die staatliche Vermögenswerte in den Bereichen Versorgung, Logistik und Transport privatisieren, um Geld in die Haushaltskasse zu bekommen. Zu diesem Ergebnis kommt ein China-Bericht, den das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) pünktlich zur Hannover Messe vorlegt.

Ein typisches Beispiel sei der griechische Hafen von Piräus. Dort hat die chinesische Staatsreederei Konzessionen für die Betreibung der Containerterminals erworben. Und versucht nach Informationen des »nd« zudem, die Hafenarbeitergewerkschaft zu verdrängen.

Die FDI-Strategie legt letztendlich die chinesische Regierung in Peking fest, warnt Dreger. Jene sei »länderspezifisch«. In Mittel- und Osteuropa begnüge man sich mit Unternehmensneugründungen und schaffe damit Arbeitsplätze. Ferner werden In- frastrukturprojekte für Pekings eurasische Initiative »Neue Seidenstraße« ausgebaut. In Westeuropa gehe es vor allen Dingen um Technologietransfer: »Da sind es dann Unternehmensbeteiligungen, die im Fokus chinesischer Anleger stehen.« Dabei geht es auch um Beteiligungen an »Hidden Champions«, heimlichen Weltmarktführern in ihren Marktsegmenten. Der Berliner Ökonom sieht das Risiko, dass der technologische Vorsprung deutscher Unternehmen verloren gehe.

Dreger warnt jedoch auch vor Überreaktion. Im Vergleich zum Handel befänden sich die Investitionsbeziehungen zwischen China und der EU noch auf einem niedrigen Niveau. Abschottung sei aber keine Lösung. »Denn es ist fraglich, ob der Technologievorsprung durch den Schutz eigener Industrien dauerhaft aufrechterhalten werden kann.«

Europa müsse eine gemeinsame Antwort finden, fordert das DIW. Im Rahmen eines Investitionsschutzabkommens zwischen der EU und China ließe sich »eine gewisse Reziprozität« festlegen. Sprich, der chinesische Markt muss für Unternehmen aus der EU weiter geöffnet werden. Bislang gibt es viele Hemmnisse: So können ausländische Firmen in China nur Gemeinschaftsunternehmen mit einheimischen Konzernen gründen. Die Strategie der EU-Länder sollte vornehmlich darin bestehen, Innovationen zu fördern, um einen stabileren und höheren »Wachstumspfad« zu erreichen, so Dreger. »Nur so dürfte man langfristig im Wettbewerb mit einem modernisierten China bestehen.« Die Messe in Hannover bietet viele Möglichkeiten, den eigenen Wachstumspfad zu stärken.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal