Im Osten nichts Neues

Berlin und Leipzig haben es unter die zehn Spielorte einer möglichen Fußball-EM 2024 in Deutschland geschafft

  • Frank Hellmann, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 4 Min.

Seinen Wohnsitz hat Reinhard Grindel nach wie vor in Rotenburg an der Wümme. Eine Fahrt in die niedersächsische Heimat hat der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) erst am Freitag wieder angetreten, um sich am Abend die Bundesligapartie zwischen Hannover 96 und dem HSV anzusehen. Dass der gebürtige Hamburger dem hohen Norden zugetan ist, spielte allerdings keine Rolle, als der DFB die zehn Spielorte einer möglichen EM 2024 benannte.

Nicht nur Bremen, das im Ranking der besten Stadien erwartungsgemäß den 14. und letzten Platz belegte, fiel durch - auch Hannover. Um die beiden Bundesligastandorte am Maschsee und Weserufer macht das Großturnier mit 24 Nationen - wenn es denn in einem Jahr von Europas Fußballverband UEFA wirklich an Deutschland vergeben wird - ebenso einen Bogen wie um Nürnberg und Mönchengladbach. »In früheren Jahren hätte es das nicht gegeben. Da hat der Präsident immer was für seine Heimatregion getan. Aber im neuen DFB muss man sich an die Regeln halten«, erklärte Grindel. Die Zeiten sollen ja beendet sein, dass solche Entschlüsse auf Vorabsprachen in Hinterzimmern, Freundesdienste unter Funktionären und Politikern oder auf Mauscheleien in Männerkreisen zurückgehen.

Frohe Botschaften gab es für die zehn Gewinner, die sich in dieser Reihenfolge beim »Stadion-und-Städte-Casting« durchsetzten: Berlin, München, Düsseldorf, Stuttgart, Hamburg, Köln, Leipzig, Dortmund, Gelsenkirchen und Frankfurt am Main. Bis auf Düsseldorf waren alle Städte auch schon Schauplatz der WM 2006. Der Osten ist erneut mit dem Primus aus der Hauptstadt Berlin und der an siebter Stelle geführten Messestadt Leipzig vertreten. Dresden hatte wegen eines nach UEFA-Kriterien zu kleinen Stadions schon vorher alle Chancen verloren. »Alle 14 Bewerber wären geeignet gewesen«, sagte Grindel, der selbst zum Telefon griff, um die Verlierer zu beschwichtigen.

Schwierig sei das Gespräch mit Mönchengladbach gewesen, das nach 2006 erneut durchs Rüttelsieb gefallen war. »Ich bin kurz davor, dass mein Hals platzt. Ich bin nicht sauer, sondern stinksauer«, sagte Rainer Bonhof, Vizepräsident von Borussia Mönchengladbach. »Wir sind irgendwo gelandet. Unverständlich.« DFB-Generalsekretär Friedrich Curtius äußerte Verständnis für so viel Frust: »Es war eine vorbildliche Bewerbung, die von viel Engagement und Enthusiasmus getragen war.« Den persönlich überbrachten Unterlagen lagen sogar 30 000 Unterschriften aus der Bevölkerung bei. Doch auch emotionale Faktoren zählten nicht.

Der etwas technokratisch anmutende Auswahlprozess speiste sich aus 103 Kriterien, die in eine komplizierte Matrix flossen, die letztlich das Ranking errechnete. 40 Prozent machten das Stadion, dabei vor allem die Kapazität, und die Mobilität, sprich die Verkehrsanbindung aus. Genau hier krankt Mönchengladbach.

Grindel führte an, Transparency International habe jederzeit Einblick in den Evaluierungsprozess gehabt. »Wir waren von Anfang an eingebunden. Es war alles logisch und plausibel aufgebaut«, bestätigte die Transparency-Beauftragte Sylvia Schenk. Es war auch für die Juristin eine Überraschung, dass Frankfurt als Sitz der wichtigsten deutschen Sportorganisationen beinahe seinen Platz verspielt hätte. Curtius wollte der These gar nicht widersprechen, dass aus der Mainmetropole eine schlampige Bewerbung einging, nur formulierte er das anders: »Sie hätten eine bessere Bewerbung abgeben können.« Dass der Rüffel von DFB-Seite nicht geharnischter ausfiel, dürfte damit zu tun haben, dass der Verband ja immer noch erwartet, seine neue Akademie auf dem Gelände der Galopprennbahn errichten zu können.

Wie sieht der Zeitplan nun aus? Nach der Zustimmung durch das DFB-Präsidium wird der Verband am 27. April 2018 offiziell das Bewerbungsverfahren starten. Bis dahin müssen Deutschland und die Türkei ihre Unterlagen bei der UEFA einreichen, die dann im September 2018 die Endrunde vergibt. Die Frage bleibt, ob die Türkei angesichts der verfahrenen politischen Lage und massenhafter Inhaftierungen überhaupt ein ernstzunehmender Konkurrent ist? Der frühere CDU-Politiker Grindel vermied es, über den Mitbewerber zu sprechen, weil ihm das durch die UEFA verboten sei. Nur so viel sei gesagt: »Wir werden die Werte des Fußballs hoch halten und Freiheitsrechte schätzen. Aber es wäre ein völlig falscher Eindruck, das Rennen wäre schon gelaufen - es ist völlig offen.«

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