Alles rosa!

Oder was!? Endlich: Der Text zum Blogtitel

  • Sarah Liebigt
  • Lesedauer: 1 Min.
Fünf Sehenswürdigkeiten, ein paar lichtstarke Scheinwerfer, ein paar Farbschablonen: Fertig ist das bewunderns-, lobens- und bemerkenswerte »Zeichen für Mädchen«.

Am 11. Oktober wird die Welt pink. Oder zumindest ein paar Wahrzeichen in deutschen Städten. Der Berliner Funkturm, das Segelschiff Rickmer Rickmers im Hamburger Hafen, das Fridericianum in Kassel, das Holstentor in Lübeck und der Katharinen-Turm in Magdeburg sollen in sattem pink leuchten.

Werbeaktion der Telekom? Ist Barbie mit ihrem Dreamhouse zurück? Okkupiert Kitty die Wahrzeichen? Möglich wärs.

Völlig falsch. Der 11. Oktober ist der Welt-Mädchentag. Weiß ja jeder, Pink is’ ’ne Mädchenfarbe. Also schicken wir pinkes Licht in den Himmel. Wir, das ist so ein langer Schlaks vom Laufsteg. Blond, blauäugig und Botschafterin fürs Kinderhilfswerk. Name: Toni Garrn.

Die Dialoge auf Berliner Boden kann ich mir bestens vorstellen. »Ey, kiek, ma, der Funkturm is pink.« - »Hm. Is’ bestimmt die Telekom wieder. Oder Hello Kitty oder dings... « - »Barbie?« - »Jenau.«

Vielleicht lässt sich aus dem Charakter der betreffenden Gebäude eine Botschaft entschlüsseln? Ich weiß nicht, was das Fridericianum ist. Das Internet weiß es. Was haben wir denn da. Also einen hohen Turm, ein Prachtgebäude mit Säulen, ein dickes Tor mit zwei dicken Türmen, ein Schiff und ein gläserner Büroturm. Es ist zwar Freitagabend, aber ich hatte noch kein Feierabendbier, bräuchte davon aber wohl ein paar, um aus dieser Aufzählung kluge Inhalte zu lesen.

Also weiter. Pink. Mädchensymbol. Kitsch. Zwangsverordnete Verniedlichung. Heißt es ab sofort »die« Funktürmin? Arbeiten fortan nur noch Frauen auf der Funkturm?

Auflösung: »Mädchen werden weltweit diskriminiert und haben weniger Bildungschancen als Jungen. Bildung ist aber die Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben« So sagt die Toni, die jetzt Botschafterin für das Kinderhilfswerk ist. Ob sie dann an dem Tag auch riesengroße Banner von den betreffenden Gebäuden hängt, auf denen steht, was pinkes Licht mit Bildung zu tun hat, habe ich nicht rauskriegen können. Dafür jede Menge toller Schlagzeilen gelesen. »Toni Garrn setzt Zeichen für Mädchen.« – »Toni Garn: Ich bin verrückt nach Kindern.« – »Topmodel Toni Garn setzt Zeichen für mehr Gerechtigkeit für Mädchen.«

Eh’ ich mich nun in Beschimpfungen der Farbe Pink und derartig beknackter Ideen ergehe, atme ich tief durch und mache der Toni ein paar Vorschläge.

Gläserne Decken über der Stadt: Einfach die Innenstadt mit einer gläsernen Decke überspannen. Ginge auch symbolisch mit Kunststoff. Als Symbol dafür, dass Frauen in Unternehmen unter ebendieser Decke ausharren müssen, weil sie im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen nicht befördert werden.

Flashmobs mit erwachsenen Männern in all den absurden Keidungsstücken und Accessoires, die es für ihre weiblichen Altersgenossen gibt. Von mir aus auch Flashmobs, bei denen Menschen sämtlichen pinken Krempel aus den Regalen entfernen.

Die Songs plus zugehörigem Video von Beyonces »If I were a Boy« und Ciaras »Like A Boy« einen Tag lang in Endlosschleife auf öffentlichen Plätzen laufen lassen. Wahlweise dazu all die guten kurzen, sexistische Werbund usw. demaskierenden Video-Clips in Endlosschleife, wie den hier If Women's Roles In Ads Were Played By Men oder die kurzen Vorlesungen von Jean Kilbourne.

Es gibt noch viel mehr Möglichkeiten, wie man einen Tag lang drastisch und deutlich auf die Benachteiligung von Mädchen und Frauen aufmerksam machen kann. Wer meint, mit pinkem Licht die Welt auf Probleme aufmerksamn machen zu können, der hat die rosa Brille einmal auf und nie wieder abegesetzt. Der bedient sämtliche Klischees und erzkonservative Rollenbilder, die dafür Sorge tragen, dass Frauen immer noch benachteiligt sind und immer noch gegen Sexismus und legitmierte Vergewaltigung und krasse Benachteiligung anrennen müssen.

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