Gegner der Kriegslogik

Friedensorganisationen wollen die Sicherheitskonferenz in München »umzingeln« und inhaltlich mit einem Manifest Konkurrenz machen

  • Gisela Dürselen
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Themen sind ähnlich, nur die Antworten können unterschiedlicher nicht sein: Parallel zur Münchner Sicherheitskonferenz wirbt die Friedensbewegung für Prävention und Abrüstung.

Wenn in dieser Woche die Spitzenpolitiker der Welt über ihre Vorstellungen von Sicherheitspolitik debattieren, befassen sich Bürger mit friedlichen Alternativen und tragen ihre Kritik an der Münchner Sicherheitskonferenz (SiKo) auf die Straße: mit einer mehrtägigen Friedenskonferenz und einer Demonstration am Sonnabend, die bundesweit von über 90 Organisationen unterstützt wird.

Das Thema Flucht wird bei beiden Veranstaltungen eine zentrale Rolle spielen: Doch während drinnen im Bayerischen Hof militärische Optionen verhandelt werden, nehmen die SiKo-Gegner draußen die Ursachen von Zerstörung und Massenflucht unter die Lupe. »Die Aggressionskriege gegen Jugoslawien, Afghanistan, Irak und Libyen haben diese Länder verwüstet und ins Chaos gestürzt«, erklärt Demoorganisator Claus Schreer. Innerstaatliche Konflikte würden angeheizt, um unliebsame Regierungen zu stürzen und pro-westliche Regimes zu installieren. In diesen Kriegen sieht der Friedensbewegte Schreer den Hauptgrund für Flucht.

Die SiKo

Der Bürgerkrieg in Syrien wird die Münchner Sicherheitskonferenz dominieren. Zu dem weltweit wichtigsten informellen Treffen zur Sicherheitspolitik vom 12. bis 14. Februar kommen mehr als 30 Staats- und Regierungschefs sowie rund 60 Außen- und Verteidigungsminister.

Einen Tag vor der Sicherheitskonferenz ist in der bayerischen Hauptstadt eine Syrien-Verhandlungsrunde geplant. Sie soll die ausgesetzten Friedensgespräche in Genf wieder in Gang bringen. Auch Regierungsvertreter von Saudi-Arabien und Iran werden teilnehmen. Es wäre die erste Begegnung der beiden zerstrittenen Regionalmächte seit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen Anfang Januar. Russlands Regierungschef Dmitri Medwedew und Außenminister Sergej Lawrow stehen ebenso auf der Teilnehmerliste wie der ukrainische Präsident Petro Poroschenko sowie US-Außenminister John Kerry. dpa/nd

Eine weitere Ursache macht er in einer ungerechten Welthandelspolitik der westlichen Staaten und ihrer multinationalen Konzerne aus. So sei die Vergabe von Krediten an Regeln gebunden, die von den zentralen Institutionen des globalen Kapitalismus - Internationaler Währungsfonds und Weltbank - diktiert würden: »Die Länder des Südens sind auf fatale Weise abhängig von Importen und Preiserhöhungen am internationalen Lebensmittelmarkt, der längst zum Spekulationsfeld der Finanzmärkte und zur Profitmaschine der globalen Nahrungsmittelkonzerne geworden ist.«

Um Flüchtlinge von ihren Grenzen fernzuhalten, verhandelt die EU seit November mit einer Reihe afrikanischer Staaten über gemeinsame Maßnahmen: »Die EU setzt dabei verstärkt auf die Unterstützung autoritärer Regimes, darunter auf die Machthaber im Südsudan, Sudan und Eritrea, die für schwerste Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind«, kritisiert Schreer. Auch den im November vereinbarten Deal mit der Türkei, durch den Schutzsuchende an der Küste aufgegriffen, inhaftiert und nach Syrien abgeschoben werden können, zählt der Münchner Aktivist dazu. »Die Opfer der Diktatoren und Despoten sollen in den Verfolgerstaaten bleiben - das ist die konkrete Praxis der Europäischen Wertegemeinschaft«, so Schreer.

Neben der Demonstration, die den Tagungsort symbolisch umzingeln will, laden Friedensorganisationen von Donnerstag bis Sonntag zu einer Friedenskonferenz nach München. Bei einem Expertenhearing soll ein Manifest zum »Schutz der Menschenrechte durch Prävention« vorgestellt werden, das auch bei der SiKo ausliegen wird. Die Verfasser aus dem Kreis namhafter Friedensorganisationen wie DFG-VK, pax christi und dem Internationalen Versöhnungsbund bejahen darin eine Schutzverantwortung von Staaten und der Zivilgesellschaft gegen Gewalt - interpretieren eine solche jedoch anders als die Regierungschefs: Krieg sei kein Mittel, um Konflikte zu lösen und Menschenrechte zu schützen, betont der Sprecher des Trägerkreises Münchner Friedenskonferenz, Thomas Rödl. Das hätten die Militärinterventionen der vergangenen Jahre vor Augen geführt. Deshalb werden bei der Friedenskonferenz zivile Handlungsmöglichkeiten diskutiert.

Das Manifest fordert ein Umdenken vom »Krieg als Mittel der Politik für Wenige« zum »Frieden als Grundrecht für alle«. Die Antwort auf die Spirale der Gewalt könne nur die »Rückgewinnung der Vision der Entmilitarisierung« der Politik und der »allgemeinen und vollständigen Abrüstung« sein. Als präventive Maßnahme empfehlen die Friedensexperten eine Wirtschaftspolitik, die die strukturelle Gewalt der globalisierten Ökonomie beendet.

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