»Wir sind nicht weiter«

BKA-Zeugen vor dem NSU-Untersuchungsausschuss

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.
Der sogenannte NSU-Untersuchungsausschuss traf sich am Donnerstag zu seiner 13. Sitzung. Fünf Kriminalisten des Bundeskriminalamtes (BKA) waren als Zeugen geladen.

Frank Heimann ist Kriminaldirektor beim Bundeskriminalamt, 51 Jahre alt und lange Zeit Chef des Zentralen Ermittlungsabschnittes zum NSU-Komplex in der Meckenheimer BKA-Zentrale. 170 Beamte haben unter seiner Leitung seit dem 11. November 2011 gearbeitet. Am 4. November des Jahres war die Nazizelle von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe aufgeflogen. Die Frau steht vor Gericht in München, die Männer sollen sich nach einem Sparkassenüberfall in Eisenach umgebracht haben. Kurz darauf habe, so die Anklage, Zschäpe die Wohnung in der Zwickauer Frühlingsstraße in Brand gesteckt, um Beweise zu vernichten.

Hermann stellt seinen Mitarbeitern und den Helfern der Landespolizeien insgesamt ein gutes fachliches Zeugnis aus. Doch worauf gründet sich diese Beurteilung? Und wie passt das zu Hermanns mehrfach geäußerter Ansicht: »Wir haben getan, was wir konnten, doch da sind wir nicht weitergekommen.«

Den Satz fiel am Donnerstag so oft, dass keinem Zuhörer verborgen bleiben konnte, wie viele »schwarze Löcher« es in den Nachforschungen zum terroristischen Neonazi-Netzwerk namens Nationalsozialistischer Untergrund gibt. Wie und nach welchen Kriterien wurden die zehn Opfer, die vom NSU zumeist aus rassistischen Gründen umgebracht worden sind, ausgewählt? Wer wohnte in der Zwickauer Frühlingsstraße? Warum haben die Bewohner ihr Quartier mit Kameras und besonderen Schließsystemen so extrem abgesichert, obwohl die Fahndung nach ihnen längst eingestellt war? Wovor hatten die drei Neonazis also Angst? Wie arbeitete das rechtsextreme Umfeld ihnen zu? Wie erfuhr Beate Zschäpe vom Tod ihrer beiden Kumpanen? Wieso liefen rund 50 Fahrzeuganmietungen vor allem über eine Firma, die es mit der Buchhaltung nicht so genau nahm? Womit haben die mutmaßlichen Terroristen sich in den 13 Jahren ihres Untertauchens die Zeit vertrieben? Mit Videospielen und Sport, sagt das BKA und weiß selbst, wie dünn diese Aussage ist. Wieso lassen sich auf den zahlreichen, im Brandschutt gefundenen Waffen weder Fingerabdrücke noch DNA-Spuren nachweisen - ausgenommen an einer Waffe, die beim Mord an der Polizistin Michele Kieswetter 2007 in Heilbronn benutzt worden ist? Und wieso sind genau an der Waffe keine DNA-Spuren der drei, sondern die einer völlig unbekannten Person?

Die Polizei setzte mehrfach Spürhunde ein, die auch in Eisenach präzise auf die Spuren von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe ansprachen. Man vermutet, die drei waren vor dem Überfall gemeinsam in der Stadt und übernachteten bei einem bekannten Neonazi. Was hat man dazu ermittelt?

Der Zeuge Heimann lobte - ganz im Gegensatz zu den Aussagen anderer an der NSU-Aufklärung beteiligten Kollegen - im Großen und Ganzen die Zusammenarbeit zwischen BKA und den Verfassungsschutzämtern. Die Frage, ob ihm da etwas vom Geheimdienst vorenthalten worden ist, kann er natürlich nicht beantworten. Im Ausschuss wurden Namen genannt, von Neonazis, die als V-Leute des Verfassungsschutzes gearbeitet haben. Es fand sich beispielsweise der Ausweis des Neonazis Ralf H. im Zwickauer Brandschutt. Das BKA vernahm ihn natürlich. Doch wusste man, dass der Typ als V-Mann des Verfassungsschutzes geworben werden sollte?

Kriminaldirektor Heimann hat natürlich - durch Medien - von der Vernichtungsorgie erfahren, die im Bundesamt für Verfassungsschutz einsetzte - just an jenem 11. November 2011, als das BKA vom Generalbundesanwalt mit den Ermittlungen im NSU-Skandal beauftragt worden ist. Bei der Befragung kam überdies heraus, dass die Ermittler zwar immer wieder Erkenntnisanfragen an den Inlandsgeheimdienst gestellt haben, doch was der in seinen Archive wirklich vorrätig hat, erfuhr das BKA nicht. Auch, weil der Generalbundesanwalt genau diesen Part der Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst selbst übernommen hat. Da klar ist, dass es für die oberste Ermittlungsbehörde vor allem nur zwei wesentliche Ziele gegeben hat - erstens, so rasch wie möglich eine Anklage auf genau drei Tatverdächtige vorlegen zu können und zweitens, den Eindruck eines Staatsversagens zu verhindern - ergeben sich bei entsprechenden Nachforschungen in der Behörde weitere Ermittlungsansätze. Hilfreich wäre da vielleicht, wenn sich der Ausschuss die Handakten der beteiligten Staatsanwälte vorlegen lässt.

Im Gegensatz zu allen Unkenrufen, die bei der Einsetzung des zweiten Bundestagsuntersuchungs-ausschusses zum Thema NSU aufkamen - es gibt weiter jede Menge Arbeit für Parlament und Rechtsstaat.

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