Integrationsverweigerung von oben

Mit seinen Vorstellungen für ein neues Gesetz stößt Thomas de Maizière nicht nur Betroffene vor den Kopf

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Integrationsgesetz erregt die öffentliche Debatte, das erst im Mai eingebracht werden soll und von dem man noch nicht viel weiß. Grund sind die martialischen Ankündigungen des Innenministers.

Bevor das «Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz» im letzten Oktober verabschiedet wurde, hatten Asylbewerber das Recht weder auf einen Sprach- noch auf einen Integrationskurs. Erst dieses Gesetz, dessen Hauptbestimmung in der erleichterten Aussortierung von Flüchtlingen ohne Bleibeperspektive besteht, erlaubte gleichzeitig einen erleichterten Zugang von Asylbewerbern zu solchen Kursen, schon vor ihrer Anerkennung als Flüchtling also. Allerdings beschränkt das Gesetz die Auswahl wiederum - auf Flüchtlinge mit «guter Bleibeperspektive». Genauer wird das nicht definiert, dem Bundesinnenministerium obliegt die Ausgestaltung. Auf Nachfrage der Grünen erläuterte die Bundesregierung, der Zugang zu solchen Kursen sei auf Flüchtlinge beschränkt, die aus einem Herkunftsland stammen, «das eine Schutzquote von über 50 Prozent aufweist». Das heißt, Flüchtlinge aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten dürfen nicht teilnehmen. Diese Klarstellung machte deutlich, dass der Integrationswille der Betroffenen von der Bundesregierung nicht in Zweifel gezogen, sondern begrenzt wird.

Eigentlich. Die nun in die Öffentlichkeit gespülten Überlegungen von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) erwecken erneut den Eindruck, als habe es die Politik mit einer integrationsunwilligen Klientel von Flüchtlingen zu tun. Leistungskürzungen und sogar eine Verweigerung des Aufenthaltsrechts drohte der Minister jenen Flüchtlingen an, die Kursangebote nicht wahrnehmen. Überdies ist von Wohnortzuweisungen die Rede, die einer Ghettoisierung von Flüchtlingen entgegenwirken sollen. Auch die SPD-Linke, die in Gestalt von Vizeparteichef Ralf Stegner zunächst mit ablehnendem Kommentar zitiert wurde, findet den Wunsch nach Wohnortzuweisung nachvollziehbar. Wiederum Stegner nennt diese «ein geeignetes Instrument, um eine gute Integration in den Städten und Gemeinden zu ermöglichen. Das Vorhaben scheint mit der SPD auch bereits abgestimmt, denn schon Bauministerin Barbara Hendricks hatte sich kürzlich überzeugt gezeigt: »Eine Wohnortzuweisung für einen gewissen Zeitraum kann ein sinnvolles, ergänzendes Instrument sein, wenn es richtig ausgestaltet ist.« Beteiligt am Gesetz ist ohnehin Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, die zum Konzept schon mal die Idee einer vorübergehenden Beschäftigung von Flüchtlingen in Ein-Euro-Jobs durchsickern ließ.

Der überdurchschnittliche Zuzug von Geflüchteten in die großen Städte war auf dem Höhepunkt der Flüchtlingszahlen in den letzten Monaten tatsächlich als Problem geschildert worden. Vor allem von den Kommunen selbst. Dass solche Warnungen ernst genommen werden, kann man der Bundespolitik nicht vorwerfen.

Es gehe aber um mehr als die Entlastung der Ballungsräume und eine bloße Verschiebung in den ländlichen Raum, stellte bereits im Februar der Deutsche Städte- und Gemeindebund klar. Erforderlich sei ein Gesamtkonzept, das neben der Wohnsitzpflicht die Schaffung von Wohnraum, Arbeitsmarktintegration, Sprachförderung und Bildungsprogramme erfasst. Eine gezielte Strukturförderung in ländlichen Regionen sei das Ziel. So komplex klingt es nicht, was aus dem Haus von Thomas de Maizière bisher nach außen gedrungen ist.

»Ich wundere mich über das, was Thomas de Maizière gesagt hat«, bekannte denn auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), im Deutschlandfunk. Im Umgang mit Flüchtlingen müsse klar sein, »dass sie eben nicht nur aus Verweigerern bestehen«. Vielmehr seien bessere Angebote nötig: »Wir wissen alle miteinander, dass wir gar nicht genug Sprachkurse haben, dass wir nicht genug berufsbegleitende Maßnahmen oder eben Einstiegschancen haben.« Sanktionsmöglichkeiten gebe es bereits genug.

Das sieht auch Grünen-Vorsitzender Anton Hofreiter so, der in der »Passauer Neuen Presse« meinte, bevor der Innenminister nach immer noch härteren Sanktionen rufe, solle er erst einmal die Integrationsangebote verbessern. Und Matthias Höhn, Bundesgeschäftsführer der LINKEN, zweifelte am guten Willen von Minister de Maizière. Wer wirklich Integration wolle, dürfe nicht mit Wohnsitzauflagen Vorgaben machen, »die Geflüchteten die Integration erschweren«. Er müsse stattdessen Geld in die Hand nehmen und Strukturen schaffen, statt von Strafen und Sanktionen zu fabulieren, so Höhn. »Alles andere ist Integrationsverweigerung von oben.«

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