Diekmann erfindet Böhmermann-Interview

Warum der »BILD«-Herausgeber die Öffentlichkeit vorführen wollte und doch nur den Satiriker immer weiter gefährdet

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Kai Diekmann brüstet sich im Netz mit einem angeblichen Interview mit dem Satiriker Jan Böhmermann. Obwohl sich das Gespräch rasch als Fake herausstellt, gingen etliche Medien von der Echtheit aus.

Wäre dieses Interview echt gewesen, viele Fans des ZDF-Satirikers Jan Böhmermann hätten sich sehr verwundert die Augen gerieben. »Bild«-Herausgeber Kai Diekmann hatte am Mittwochmorgen via Facebook und Twitter verkündet, er habe für das Springer-Blatt das erste Exklusiv-Interview mit Böhmermann zur Erdogan-Satiredebatte geführt. Stutzig hätte einem bereits der Umstand machen können, dass es um das Verhältnis zwischen dem Satiriker und »BILD« - zurückhaltend ausgedrückt - bisher nicht unbedingt zum Besten stand. Nachdem die Debatte um die Meinungsfreiheit inzwischen allerdings zur Staatsaffäre anschwoll und der Privatmensch Böhmermann aufgrund von Drohungen gegen ihn unter Polizeischutz steht, wäre in letzter Konsequenz vielleicht auch dieser Schritt denkbar gewesen.

Merkwürdig an der Angelegenheit war allerdings: Diekmann verbreitete das rasch als Fake-Interview entlarvte Gespräch mittels seines privaten Facebook-Accounts und nicht etwa über die wesentlich reichweitenstärkeren Internetangebote des Springer-Boulevards. Spätestens an dieser Stelle hätte jeder Leser Zweifel bekommen müssen, was aber eine Reihe weiterer Medien nicht davon abhielt, das Interview als echte Meldung zu verbreiten. Denkbar scheint inzwischen alles: »Böhmermann gibt Diekmann erstes Interview nach Erdogan-Affäre« titelte etwa der »Kölner Stadt-Anzeiger« ohne jeden Zweifel. Ähnliche Schlagzeilen verbreiteten unter anderem die »Berliner Zeitung«, »Mitteldeutsche Zeitung«, shz.de sowie der Nachrichtensender n-tv.

Nur eine Stunde nach der Veröffentlichung seines angeblichen Interviews löste Diekmann das Rätsel mit den Worten »Ich sage es mal in den Worten des falschen Böhmermann:’Das ganze Leben ist Satire. Man muss sie nur erkennen!’« auf und trat damit die x-te Metadebatte in der Causa um die Satirefreiheit los. Allerdings feierte kaum jemand Diekmann für sein Fake-Gespräch, stattdessen gab es harsche Kritik. Meedia.de sprach von »unlustiger Möchtegern-Satire«, die angesichts der Ausmaße, die die Böhmermann-Erdogan-Affäre mittlerweile angenommen habe, »allerdings nicht komisch, sondern einfach nur daneben« sei.

Friedemann Karig urteilte auf jetzt.de sogar: »Die Aktion des Bild-Herausgebers ist kein harmloser Spaß. Sondern gefährlich.« Längst dreht sich die Debatte nämlich nicht mehr nur um den Künstler, sondern um den Privatmensch Böhmermann, der mit der Absage der nächsten »Neo Magazin Royale«-Sendung das deutliche Signal ausgab, dass die Angelegenheit eine Grenze überschritten hat. Karig kommt deshalb zu dem Schluss: Diekmann gieße mit dem Fake-Interview unnötig Öl ins Feuer »einer lichterloh brennenden Debatte«, die längst außer Kontrolle geraten ist und »tatsächlich Menschenleben gefährdet«.

Karig warnt: »Wenn auch nur ein türkischer Nationalist, aus deren Richtung die Morddrohungen stammen sollen, dieses wiederum ‘beleidigende’ Interview so ernst nimmt wie in den Minuten nach Veröffentlichung die meisten deutschen Journalisten und User, dann sind die Folgen nicht absehbar. Dann erhöht sich die Gefahr für Böhmermann weiter.«

Rein inhaltlich passte das Fake-Interview durchaus zum böhermannschen Sprachgebrauch. Pöbelnd, mit Ironie und Witz, austeilend in alle Richtungen. Doch die Situation ist inzwischen kaum noch zu kontrollieren. Böhmermann hat dies mit seinem Rückzug aus der Öffentlichkeit begriffen, Diekmann versucht dagegen lediglich, auf eine rasende Debatte aufzuspringen. Vor ein paar Tagen hätte man darüber vielleicht noch lachen können.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal