Der Kampf 
gegen die CGT

Bernard Schmid über 
gewerkschaftliche Spaltungen in Frankreich

  • Lesedauer: 2 Min.

Die CGT, Frankreichs ältester und stärkster Gewerkschaftsdachverband, ist in den Mittelpunkt des innenpolitischen Streits gerückt. Die Angriffe aus Regierungskreisen und Kapitalverbänden, im Zusammenhang mit den Streiks gegen die geplanten Arbeitsmarktreformen, konzentrierten sich zuletzt auf ihre Führung. Am Montag schlug Arbeitgeberpräsident Pierre Gattaz verbal auf die CGT ein: Ihre Mitglieder führten sich »wie Ganoven, wie Terroristen auf«; die CGT erstattete Strafanzeige. Am Mittwoch hat Gattaz erklärt, seinen Ausspruch zu »bedauern«; wohl auch, weil diskrete Verhandlungen längst begonnen haben.

Beim führenden Privatfernsehsender TF1, stellen sich die Dinge so dar: Eine Grafik am Wochenanfang zeigte ein böse grinsendes rotes und ein freundlich lächelndes gelbes Männchen. Die rote Figur stand für die CGT, die gelbe für die CFDT – den rechtssozialdemokratischen, zweitstärksten Dachverband. In der aktuellen Auseinandersetzung opponiert die CGT gegen das geplante Arbeitsgesetz. Dagegen forderte CFDT-Generalsekretär Laurent Berger die Regierung auf, keine Abstriche an dem umstrittenen Entwurf vorzunehmen.

Zur medialen Wahrnehmung gehört auch, dass die CGT stalinistisch, die CFDT jedoch demokratisch sei. Doch die Wirklichkeit sieht völlig anders aus. Denn gerade die CFDT wird heute zentralistischer denn je geführt und setzt gegenüber den Lohnabhängigen das als »wirtschaftlich vernünftig« Erachtete von oben herab durch. Niemand an der Basis wurde über Bergers Position zum »Arbeitsgesetz« konsultiert.

Die CGT hat in den letzten 20 Jahren eine weitgehende Dezentralisierung erfahren. Heute wird ihre Politik vor allem von den Branchen- und Bezirksverbänden bestimmt. Früher einmal diente die Idee, die Kämpfe sollten irgendwann auf die Einführung eines sozialistisches Gesellschaftssystems hinaus- und zusammenlaufen, als Klammer für Teilbereichs- und Branchenkämpfe.

Doch heute gewinnen die Eigeninteressen von Branchen und Beschäftigtengruppen an Auftrieb. Deswegen ist die CGT von allen Organisationen, die die Proteste tragen, am stärksten gespalten. Ihre Branchengewerkschaft bei der Eisenbahn – die auf dem Kongress des Dachverbands, Ende April in Marseille, eine Bündnispolitik mit der rechteren CFDT verteidigte – tritt hinter den Kulissen als Bremser auf, was eine Bündelung der Protestkräfte gegen das Arbeitsgesetz betrifft. Sie geht davon aus, zwar zu den bahninternen Konfliktpunkten gewinnen zu können, will jedoch eine Vermischung unterschiedlicher Anliegen vermeiden. Andere Branchenverbände, wie Chemie und Metall, treten in der aktuellen sozialpolitischen Auseinandersetzung erheblich radikaler auf. Der Ausgang der laufenden Verhandlungen wird diese Widersprüche möglicherweise noch zuspitzen.

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