Ende der Wende befürchtet

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel verteidigt EEG-Reform

  • Jörg Staude
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Bundeskabinett hat am Mittwoch den Entwurf des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes beschlossen. Wirtschaftsminister Gabriel erklärte den fehlenden Netzausbau zum Hauptproblem für die Zukunft.

Die Kritiken zur - nach einem Jahr Debatte - nun vorgelegten EEG-Reform konnten getrost geschrieben werden, bevor der Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) das Gesetzeswerk am Mittwoch vorstellte. Julia Verlinden von der grünen Bundestagfraktion sieht nicht weniger als den »Stopp der Demokratisierung der Energieversorgung«. Der Minister schütze ausgerechnet jene Energiekonzerne, »die die Energiewende verschlafen und verhindert haben.« Für Eva-Bulling Schröter von der Linksfraktion bricht die Reform der Bürgerenergie das Genick und rollt den »großen Finanzinvestoren den roten Teppich aus«.

Derartige Kritik an seiner EEG-Reform ist der Minister gewöhnt. Am Mittwoch entschied er sich, den entschiedenen Verfechter der Energiewende zu geben. Allen Unkenrufen zum Trotz, die schon die EEG-Reform 2014 begleitetet hätten, habe es in den vergangenen Jahren »noch nie so einen starken Anstieg« bei den Erneuerbaren gegeben, entgegnete er seinen Widersachern. Der Anteil des Ökostroms am gesamten Markt sei von 17 Prozent 2010 auf 33 Prozent 2015 gestiegen. Gabriel weiter: »Die Energiewende ist nicht mehr zu stoppen und auch nicht mehr rückwärts abzuwickeln«. Fast hatte es den Anschein, als müsse der Minister alle Welt und sich selbst überzeugen, dass er kein Totengräber der Erneuerbaren ist.

An den Problemen sind nach seiner Lesart deshalb weniger die geplanten EEG-Reformen, sondern der fehlende Netzausbau Schuld. Das gesamte Stromsystem müsse für das Zeitalter der Erneuerbaren »fit gemacht werden«. Es gehe darum, dass wir genügend Strom produzierten, diesen aber nicht an die Kunden bringen könnten und so den (Öko)Strom praktisch doppelt bezahlten.

Den Einwand renommierter Energieexperten, nicht der grüne, sondern der Kohle- und Atomstrom verstopfe die Leitungen gerade im Norden, konterte Gabriel allerdings eher dünn: »Das ist nur ein Argument, das sich gut anhört - mehr aber auch nicht«. Nach seiner Darstellung müssten, um die Netze frei zu bekommen, beispielsweise alle norddeutschen Kohlekraftwerke abgeschaltet werden. Das verlangen nicht einmal Umweltschützer.

Im Konkreten blieben Gesetzentwurf und Minister hart: Der Ausbau von Wind an Land wird von 2019 bis 2021 auf 2800 Megawatt und von 2022 bis 2025 auf 2900 Megawatt festgelegt, das Repowering jeweils eingerechnet. Auch die regionale Deckelung bleibt, wonach in Norddeutschland der Ausbau der Windkraft auf 60 Prozent des Schnitts der vergangenen drei Jahre begrenzt wird - Gabriels Hauptargument sind auch hier die fehlenden Stromnetze.

Um bei Solarstrom auf den ursprünglich geplanten Ausbaupfad von 2500 Megawatt jährlich zu kommen, setzt Gabriel zum einen ganz auf das erhöhte Ausschreibungsvolumen von 600 Megawatt jährlich sowie auf die vierteljährliche Anpassung der Förderung - in dem Fall aber nicht wie beim Wind nach unten, sondern nach oben. Solaranlagen bis 750 Kilowatt bleiben wie angekündigt von der Ausschreibungspflicht ausgenommen.

Die Regeln für Solar und Wind werden wohl auch die kommenden Bundestagsberatungen überstehen. Nur beim Punkt Bürgerenergie könnte das letzte Wort noch nicht gesprochen sein. Das vorgeschlagene »Privileg«, Bürgerenergiegesellschaften bräuchten für Windkraft-Ausschreibungen keine immissionsrechtliche Genehmigung vorlegen, geht praktisch allen Akteuren in der Branche nicht weit genug. Ökostromer Greenpeace Energy forderte am Mittwoch, das ganze Ausschreibungssystem müsse nach einigen Jahren überprüft werden. Das Gesetz brauche in dem Punkt ein eingebautes »Verfallsdatum«.

Der Wirtschaftsminister selbst hofft auf zügige Beratungen im Bundestag - nicht ohne Grund: Ende des Jahres läuft das geltende EEG 2014 aus und bis dahin muss das neue Gesetz auch noch von der EU notifiziert werden. Zuviel Zeit - dieser Wink des Ministers war nicht zu überhören - sollte sich das Parlament also nicht lassen.

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