Ramstein und die Doppelmoral

Friedensaktivisten protestierten gegen US-Basis und deren Duldung durch die Regierung

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Bei den US-Drohnenangriffen spielt der pfälzischen Stützpunkt Ramstein eine wichtige Rolle. Die Friedensbewegung rief zum Protest.

»Das ist der Anfang einer neuen, großen Friedensbewegung.« Genoveva Brandenburger aus der westpfälzischen Metropole Kaiserslautern freute sich, als am Sonnabend der Zustrom zu den Abschlussveranstaltungen der Kampagne »Stopp Ramstein 2016« die Erwartungen der Veranstalter erfüllte. So nahmen am Mittag insgesamt gut 5000 Menschen an drei Kundgebungen teil und bildeten eine knapp 10 Kilometer lange Menschenkette zur nahen US Airbase Ramstein. Der Militärflughafen gilt als logistische Drehscheibe der USA und NATO für Kriege in Asien und Afrika. Über die Basis wird auch der Einsatz von Kampfdrohnen gesteuert, mit denen Menschen getötet werden.

Unter den Demonstranten, die sich gegen 15 Uhr entlang der Strecke im strömenden Regen die Hände reichten, fanden sich Veteranen der alten Friedensbewegung aus den 1980er Jahren ebenso wie viele jüngere Menschen, die seit der Jahrtausendwende durch neue Kriege aufgerüttelt wurden. Bunte Fahnen der Friedensbewegung und Plakate mit Parolen wie »Wer Drohnen sät, wird Terror enden« waren ebenso unübersehbar wie LINKE-Fahnen und Embleme der Friedensorganisation DFG-VK. Auch Kriegsgegner aus den USA, Großbritannien und anderen Ländern reihten sich ein. Als Rückgrat der bundesweiten Organisation hatten die kritische Juristenvereinigung IALANA und der Deutsche Freidenkerverband wie auch örtliche Friedensgruppen im Südwesten monatelang auf die Aktionstage hingearbeitet.

Als Hauptredner bei der Auftaktkundgebung in Kaiserslautern zitierte der saarländische Linksfraktionschef Oskar Lafontaine den früheren SPD-Kanzler Willy Brandt: »Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen.« Kriege seien »der Fluch eines Systems, das niemals genug bekommt«, rief er unter Beifall aus. »Es geht um Absatzmärkte und Rohstoffe.« Besonders »ruchlos und mörderisch« sei es, Waffen in Spannungs- und Kriegsgebiete zu liefern. Es sei ein Ausdruck »unglaublicher Schizophrenie«, wenn sich Politiker in Flüchtlingscamps betroffen zeigten und wenig später im Bundestag »die Hand für Waffenlieferungen in Kriegsgebiete heben«, so Lafontaine. Er forderte die Bundesregierung auf, die von Ramstein ausgehende US-Kriegsführung zu beenden. »Allein von 2009 bis 2015 wurden bei Drohnenangriffen in Pakistan, Jemen und Somalia über 4500 Menschen getötet. Dabei kommen auf jede getötete Zielperson durchschnittlich 28 Unbekannte, die getötet werden«, so der Wiesbadener Rechtsanwalt Otto Jäckel. »Die Hellfire-Raketen an Bord der Drohnen mögen präzise sein, die ihnen zugrunde liegenden Geheimdienstinformationen sind es nicht«, brachte der Ex-CIA-Agent Ray McGovern bei der Abschlusskundgebung seine Kritik auf den Punkt.

Dass am Sonnabend gut dreimal so viele Menschen nach Ramstein gekommen waren wie bei der Aktion im September 2015, freute auch den Kaiserslauterner Wolfgang Jung. »Es sind aber immer noch zu wenig«, so der Mitinitiator des »Ramsteiner Appells« gegen die Einbeziehung von Militärbasen auf deutschem Boden und die Nutzung des deutschen Luftraums für völkerrechts- und grundgesetzwidrige Angriffskriege. Jung publiziert seit 2004 unter dem Titel »Luftpost« kritische Informationen über die US-Militärstützpunkte in der Region, wo rund 50 000 Soldaten, Zivilpersonal, Dienstleister und Familienangehörige zur »Military Community« gehören.

»Wir kommen wieder«, betonte Reiner Braun vom Organisationsausschuss der Ramstein-Kundgebung an und Conny Burkart Schmitz von der Initiative »Stopp Ramstein in Kaiserslautern« kündigte an: »Wir werden die Auseinandersetzung gegen demokratiefreie Zonen um die Airbase Ramstein mit noch größerer Intensität führen«.

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