Glyphosat - die Dritte

Umweltinstitut veröffentlicht E-Mails über Zusammenarbeit zwischen Industrie und EU-Kommission

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 3 Min.
An diesem Freitag unternimmt die EU-Kommission erneut den Versuch, die weitere Zulassung von Glyphosat durchzusetzen.

Die Auseinandersetzung um den umstrittenen Wirkstoff Glyphosat geht in einer weitere Runde. Bisher konnte die EU-Kommission die Mitgliedsländer nicht zur mehrheitlichen Zustimmung bewegen. Dabei war sie bereits zurückgerudert. Von ihrer ursprünglichen Forderung nach weiterer Zulassung des Unkrautvernichters für zehn Jahre sind nur noch 18 Monate übrig geblieben. Doch auch dafür gab es Anfang Juni im zuständigen Ausschuss keine Mehrheit. Hintergrund des Kompromissvorschlages ist die in den kommenden Monaten geplante Veröffentlichung einer Stellungnahme der EU-Chemikalienagentur ECHA. Glyphosat steht im Verdacht, krebserregend zu sein. 2015 hatte die WHO-Forschungseinrichtung IARC den Wirkstoff als »wahrscheinlich krebserregend für den Menschen« eingestuft.

Kritiker werfen der EU-Kommission seit Langem vor, sich in dieser Frage mit der Industrie abzustimmen. Das Umweltinstitut München hat dazu nun neue Belege vorgelegt. Das betrifft einen offenen Brief von EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis von April an die »Glyphosate Task Force« (GTF), in der die Hersteller des Pestizidwirkstoffes zusammengeschlossen sind. In dem Schreiben forderte er, bisher unter Verschluss gehaltene Studien zur Krebsgefahr von Glyphosat zu veröffentlichen. »Das Schreiben des Kommissars erweckte den Eindruck, dass hier stärkere Transparenz für das Zulassungsverfahren gefordert wurde«, schreibt das Umweltinstitut. »In Wirklichkeit war der Brief vorab mit der Industrie abgesprochen.«

Um den Vorwurf zu belegen, hat das Institut den vorhergegangenen E-Mail-Verkehr veröffentlicht. Demnach sprach der zuständige Gesundheitsausschuss mit der Industrie ab, der Öffentlichkeit bezüglich dreier unter Verschluss gehaltener Studien einen Leseraum anzubieten. »Die Industrie ist gewillt, einen Leseraum in Betracht zu ziehen«, heißt es in einer E-Mail vom 17. März. Weitergehende Vorschläge aus dem Ausschuss hätten die Wirtschaftsvertreter abgelehnt. Als der Gesundheitskommissar zwei Wochen später seine Forderung veröffentlichte, reagierte die Industrie prompt und versprach eben diesen Leseraum.

»Entweder geht Andriukaitis sehr großzügig mit der Wahrheit um oder er weiß schlicht nicht, was in seiner Generaldirektion läuft«, erklärt Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament. Eindeutig sei jedoch, »wem sein Augenmerk gilt: den Interessen der Chemieindustrie und nicht, wie man es von einem Gesundheitskommissar erwartet, dem vorsorgenden Verbraucherschutz«, so Häusling.

In der Antwort auf eine Anfrage im Parlament zu den Vorgängen stritt Andriukaitis Absprachen noch ab: »Die Tatsache, dass die GTF nach Erhalt des Schreibens der Kommission zum Thema Zugang zu Informationen zügig reagiert hat, hängt nicht mit irgendeiner Form von Absprache oder Vereinbarung zwischen der Kommission und der GTF zusammen.« Seiner Forderung kam die Industrie bisher jedoch auch nicht nach: Weder sind die Studien veröffentlicht, noch die angebotenen Leseräume eingerichtet.

In der Kritik steht auch die Bundesregierung, die sich im bisherigen Verfahren enthalten hat. Während Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) auf eine weitere Zulassung drängt, verbindet Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) mit ihrer Ablehnung die Forderung nach einer »grundsätzlich anderen Landwirtschaftspolitik«. Gefördert werden sollte »nur die Produktion gesunder Lebensmittel, die Pflege von Natur und Landschaft, der Gewässerschutz«, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Weitere Kritik am Agrarminister kam nun von der LINKEN. »Auch die Frage, wie sich Rückstände von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln in Futtermitteln auf die Tiergesundheit auswirken, ist nach wie vor unbeantwortet, obwohl ein Risiko für Nutztiere immer wieder vermutet wird und Teil der Bewertung zur Zulassungserneuerung für den Wirkstoff sein müsste«, erklärte die agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Kirsten Tackmann. Statt entsprechende Studien in Auftrag zu geben, begnüge sich die Bundesregierung mit Forschungsaufträgen, von deren Ergebnissen sie die Beantwortung dieser Frage nicht einmal erwarte, kommentierte Tackmann die Antworten der Regierung auf zwei schriftliche Fragen zu Glyphosat-Rückständen in Tierfutter.

Sollte es am Freitag keinen Kompromiss geben, hat die Kommission noch die Möglichkeit, den Wirkstoff im Alleingang zuzulassen. Die bisherige Genehmigung läuft am 30. Juni aus.

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