Rückenwind für Wind

Britische Regierung genehmigt Anlage auf See / Keine Abkehr von Atomkraft

  • Peter Stäuber, London
  • Lesedauer: 3 Min.

Die neue britische Regierung hat der Windenergie kräftigen Rückenwind verschafft. Vergangene Woche gab sie grünes Licht für den Bau des weltgrößten Windparks vor der britischen Nordseeküste. Hornsea Project Two wird auf einer Fläche von 480 Quadratkilometern 300 Turbinen umfassen - jede 180 Meter hoch -, die Energie für 1,8 Millionen Haushalte erzeugen werden. Verantwortlich für den Bau ist der dänische Energiekonzern Dong. Der Windpark bildet den zweiten Teil eines vierstufigen Projekts, dessen erster Teil bereits Anfang des Jahres genehmigt worden ist und 2020 in Betrieb genommen werden soll.

»Die britische Offshore-Windindustrie ist in den vergangenen Jahren außergewöhnlich schnell gewachsen, und sie bildet einen wesentlichen Teil unserer Pläne, ein sauberes, bezahlbares und sicheres Energiesystem aufzubauen«, sagte Greg Clark, Minister für Wirtschaft und Energie. Bereits heute nimmt Großbritannien bei der Erzeugung von Windenergie eine Spitzenposition ein. Rund elf Prozent der Elektrizität im Land stammen aus Windkraftwerken, ein großer Teil davon auf hoher See.

Während die Entwicklung von Windenergie auf dem Land weitgehend zum Stillstand gekommen ist - in erster Linie aufgrund des Widerstands von Landschaftsschützern -, hat Regierung in den vergangenen Jahren verstärkt auf die Stromerzeugung auf hoher See gesetzt. Vor drei Jahren wurde der derzeit größte Windpark in Betrieb genommen, der London Array vor der Themsemündung.

Der Entscheid zugunsten des Hornsea-Projekts erfolgt wenige Wochen nachdem die Regierung den Bau des gigantischen Atomkraftwerks Hinkley Point C in Zweifel zog: Theresa May will sich bis September Zeit nehmen, bevor sie endgültig entscheidet, ob das französische Unternehmen EDF die Genehmigung für die Errichtung des 18 Milliarden Pfund (20,8 Milliarden Euro) teuren Kraftwerks erhält. Ob die Förderung von Windenergie zulasten der Atomkraft einen allgemeinen Richtungswechsel hin zu grünen Energien markiert, ist derzeit noch nicht abzusehen. Die Bedenken über Hinkley Point haben wohl ebenso mit politischen Überlegungen wie mit Energiepolitik zu tun: Theresa May sieht die chinesische Beteiligung an einem strategisch wichtigen Energieprojekt weniger gelassen als ihr Vorgänger David Cameron, der in China einen wichtigen Handelspartner sah.

Auch hat die Premierministerin bislang keine Hinweise geliefert, dass ihr an einer grünen Wirtschaft gelegen ist, im Gegenteil: Kurz nach ihrer Amtsübernahme schaffte sie das Ministerium für Energie und Klimawandel ab. Umweltschützer und prominente Politiker auf der ganzen Welt, darunter der ehemalige UNO-Generalsekretär Kofi Annan, kritisierten den Schritt scharf: Wenige Monate nach der Unterzeichnung des Klimaabkommens von Paris sende dies völlig falsche Signale bezüglich der Prioritäten der neuen Regierung.

Zudem wurden kurz nach der Brexit-Abstimmung Ende Juni die Subventionen für erneuerbare Energien überraschend gestrichen. Der Entscheid gefährde Investitionen im Umfang von 140 Millionen Pfund, sagte der Vorsitzende der Renewable Energy Association. National Grid, das Unternehmen, das für den Betrieb des Stromnetzwerks zuständig ist, warnte kürzlich, dass Großbritannien sein Ziel, bis 2020 insgesamt 15 Prozent des gesamten Energiebedarfs für Strom und Heizung aus erneuerbaren Quellen zu decken, voraussichtlich verpassen werde.

Das Potenzial bei der Windkraft auf hoher See ist indes gigantisch: Laut einer Studie aus dem Jahr 2014 könnte Großbritannien mit Windturbinen sechs Mal mehr Elektrizität produzieren, als derzeit im Land nachgefragt wird.

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