Eine Marktwirtschaft namens China

In der EU wird derzeit heftig über den künftigen Handel mit der Volksrepublik gestritten

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Handel mit China ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits lockt der riesige Absatzmarkt auch deutsche Hersteller von Autos, Maschinen oder Kosmetik. Andererseits fürchten mehrere Branchen hierzulande billige Einfuhren von Stahl, Solarzellen oder Keramik. Einige stellen angesichts niedriger ökologischer und menschenrechtlicher Standards im Reich der Mitte einen normalen Handel mit der asiatischen Großmacht prinzipiell in Frage.

Wie werden die künftigen Beziehungen der Europäischen Union mit China angesichts der denkbaren Ex-treme Handelskrieg und neue Wirtschaftskooperation aussehen? Eine Veranstaltung am Freitag in Berlin, zu der der Brandenburger Europaabgeordnete Helmut Scholz (LINKE) eingeladen hatte, suchte nach einer Antwort. Eine nur scheinbar formale Frage in den Beziehungen gelangt spätestens im Dezember auf den Prüfstand in der EU. Entschieden werden muss nämlich, ob man China offiziell als Marktwirtschaft anerkennt, wie es bisher schon 70 Staaten getan haben. Die chinesische Botschaftsrätin in Berlin, Su Ping, zeigte sich optimistisch. Immerhin sei bei der Aufnahme Chinas in die Welthandelsorganisation (WTO) 2001 im Protokoll ein Passus festgehalten worden, der die Anerkennung als Marktwirtschaft nach 15 Jahren vorsieht.

In der EU warnen indes manche, damit würden sich Antidumpingverfahren nicht mehr so einfach umsetzen lassen. China dürfe weiterhin nicht als Marktwirtschaft gelten, weil der Staat in das Preisgefüge eingreife. Es gehe darum, Exportprodukte zu stützen, aber auch bei inländischen Erzeugnissen die Preise zu subventionieren. Im Außenhandel kommt es dann im Vergleich mit einer Konkurrenz, die auf realen (kapitalistischen) Märkten bestehen muss, zu Dumpingpreisen.

Bisher kann die EU-Kommission die Preise in marktwirtschaftlichen Drittstaaten zum Vergleich heranziehen, um das Ausmaß der Preisdrückerei zu beziffern und Sanktionen einzuleiten. Wenn China aber den Status einer Marktwirtschaft hat, dann fällt die beschriebene Drittstaatenregelung weg. Der Preisvergleich bezöge sich dann auf gleiche Produkte in China selbst. Sind diese dort so niedrig wie im Außenhandel, wäre das de jure kein Dumping. Und die Chancen für chinesische Produkte auf den internationalen Märkten würden sich noch einmal verbessern.

Das ist nur eine der offenen Fragen des künftigen bilateralen Handels. Die EU müsste für eine Zustimmung zum Marktwirtschaftsstatus der Volksrepublik Gesetze ändern, wofür es die Zustimmung des Europäischen Parlaments braucht. Ein Teil der Abgeordneten fürchtet die chinesische Konkurrenz aber für ihre eigenen Volkswirtschaften: Fiele die Möglichkeit von Antidumpingverfahren weg, stünden 3,5 Millionen Arbeitsplätze in der EU auf dem Spiel.

Die unterschiedlichen Standards etwa in Umweltfragen sieht Frank Hoffmeister von der Generaldirektion Handel der EU-Kommission nicht als unüberwindliches Problem an. Auch China könne hier seine eigenen Bedingungen festlegen. Importverbote gebe es dann, wenn internationale Mindestbedingungen nicht eingehalten würden, etwa bei Kinder- oder Zwangsarbeit.

Wie komplex die Beziehungen mit China schon heute sind, machte Helmut Scholz deutlich. Der Europaabgeordnete erinnerte daran, dass es der Internationale Währungsfonds gerade ablehnte, dass Griechenland im Rahmen der Krisenbewältigung die Tarifautonomie wieder einführt. Die chinesischen Investoren im Hafen von Piräus wird es freuen.

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